Livereview: Sweden Rock Festival 2014
04. - 07. Juni 2014, Norje, Sölvesborg (Schweden)
By Kissi, Roxx  -  All Pics by Roxx


Einmal mehr nahm die Metal Factory Crew den langen Weg nach Südschweden auf sich, um ins geheiligte Norje zu pilgern. Hinsichtlich der Tatsache, dass die Crew dieses Jahr bloss aus Roxx und Kissi bestand, musste ein ziemlicher Kraftakt hingelegt werden. Ersterer musste sogar ganz allein den Part des Fotografen übernehmen. Das war nicht immer ganz einfach, da es fünf Bühnen gab und manchmal zwei bis drei Bands gleichzeitig spielten. Aber wir wollen jetzt mal nicht auf hohem Niveau jammern, denn schliesslich waren wir am "Sweden Rock"-Festival!

Mittwoch, 04.06.2014


4Sound Stage
Unter grauem, aber wenigstens trockenem Himmel eröffneten die Australier Vdelli das Festival. Mit ihrem traditionellen und wenig beeindruckenden Hard Rock sorgten die Australier für einen zunächst sanften Einstieg in vier laute Tage. Ein bisschen Glam hier, ein bisschen Blues da und ein Gitarrist, der sich wie die Reinkarnation von Keith Richards aufführte. So versuchten danach die Norweger Backstreet Girls das Publikum auf ihre Seite zu ziehen, was wegen dem seltsam rumpeligen Gesang nur teilweise gelang. Auch nicht für jedermann, wuchteten Crowbar ihre Riffs von der Bühne. Die Sludge-Wütriche um Rauschebart Kirk Windstein sorgten bei den geneigten Hörern bisher für die härtesten Sounds des Festivals. Dann folgte etwas Spezielles. Angekündigt wurde Blaze Bailey vs. Paul DiAnno, der Erste gegen den Dritten, zumindest was die Reihenfolge der einstigen Iron Maiden Sänger betrifft. Zuerst kam also Blaze auf die Bühne und liess mit tadellos vorgetragenen Songs wie «Sign Of The Cross», «Futureal» oder «The Clansman» die 90er Ära von Maiden wieder aufleben und lud unzählige Kehlen zum Mitsingen ein. Danach übernahm ein angeschlagen wirkender Paul DiAnno die versiert aufspielende Backing Band. Wegen seinem kaputten Bein, wie er erklärte, sang Paul die ganze Zeit auf dem Drumriser sitzend. So schwang etwas Mitleid mit ihm mit, während man zu Klassikern wie «Wrathchild», «Remember Tomorrow» (widmete er dem verstorbenen früheren Maiden-Drummer Clive Burr) oder «Sanctuary» abfeiern konnte. Als grosses Finale kam Blaze wieder auf die Bühne, um im Duett mit Paul «Running Free» und «Iron Maiden» ins dankbare Publikum zu schleudern.

Rockklassiker Stage
Quasi die "Sweden Rock" Hausband Dust Bowl Jokies aus der Region Sölvesborg, entjungferte die Rockklassiker Stage (benannt nach einem schwedischen Radionsender). Hatte der Sänger was von Crashdïet-Fronter Simon Cruz, war man musikalisch eindeutig auf den Spuren von Hardcore Superstar unterwegs. Somit auch hier alles typisch schwedisch. Die danach spielenden Black Trip orientierten sich eher an irischen Vorbildern. Wenn man gerade mal nicht auf die Bühne schaute, konnte man meinen, Phil Lynott und seine Mannen würden da oben stehen. Rockiger Heavy Metal mit Lizzy Doppel-Gitarren war das und damit macht man an so einem Festival nie was falsch. Zumindest aus symbolischer Sicht hätte man die Rainmakers nicht einladen sollen, denn die Amerikaner machten ihrem Namen alle Ehre und brachten nicht nur ihren Melodic Rock mit, sondern auch das Nass vom Himmel herunter, was die proggigen Rock'n'Roller trotz einwandfreier Leistung einige Zuschauer kostete.

Sweden Stage
Das Festival begann auf der Sweden Stage mit starken Männern. Jedenfalls gaben sich Freak Kitchen als solche. Das Trio zelebrierte Testosteron geladenen Hard Rock mit Southern und Stoner-Anleihen, hinterliess bis auf den Motorradhelm des Bassisten aber wenig Eindruck. Eindrücklich, doch für uns Schweizer alles andere als nachvollziehbar war danach die Jubelstimmung bei Eddie Meduza Lever. Dabei handelt es sich um eine Art "Tribute Show" für den schwedischen Kultmusiker Eddie Meduza, der mit seinem Country Rock Blues und Texten über Schnaps und Sex vor allem in ländlichen Gegenden ganze Heerscharen begeistert haben soll. Das schilderte uns jedenfalls ein Journi vom "Sweden Rock Magazin" so. Die Hochstimmung bei Magnum hingegen erfasste auch uns. Mit einem tollen Set, gespickt mit Klassikern und Songs neueren Datums, versammelten sich tausende Fans vor der Sweden Stage und feierten die britischen Geschichtenerzähler lautstark ab. Unter der Ägide des vergleichsweise kratzig klingenden Bob Catley mauserten sich Magnum mit Hits wie «How Far Jerusalem» und «Kingdom Of Madness» zum eigentlichen Headliner des Abends. Dies verdankten sie auch dem Regen, der das Set vor den anschliessend aufspielenden Queensrÿche heimsuchte. Die wiedererstarkten Progger aus Seattle lieferten trotz garstigen Bedingungen eine Hammer-Show ab. Zwei Stunden Queensrÿche, ohne Mätzchen und Allüren, wobei die lupenreine Performance von Sänger Todd La Torre Vorgänger-Diva Geoff Tate keine Minute vermissen liess. Tracks des aktuellen, selbstbetitelten Albums fügten sich dabei nahtlos in Band-Perlen der Sorte «Walk In The Shadows», «Queen Of The Reich» und «My Empty Room» ein und machten ein für allemal klar, dass diese Band zurecht den Namen Queensrÿche zugesprochen bekommen hat.


Donnerstag, 05.06.2014
4Sound Stage
Kaum aufgewacht am Donnerstag, verschleppten einen Riot Horse mit ihrem Sound in die Südstaaten der USA. Etwas 70's Rock, etwas Blues und eben viel Southern, das war der Mix, den das Quintett zur "New Band of 2013" des "Sweden Rock Magazin" hatte werden lassen. Live wirkte das Ganze aber wie ein lauwarmer Aufguss von Black Stone Cherry und den Rival Sons, ohne Groove, ohne Wiedererkennungswert. Auch nicht gerade eingängig, dafür umso ambitionierter zeigten sich Cloven Hoof. Die britische 80ies Legende, von deren Originalbesetzung einzig Basser Lee Payne übrig ist, haute beherzt und tadellos tight in die Saiten, was aber nur ein paar Reihen Old-School-Fans wirklich erfreute. Das allgemeine Fazit: zu vertrackt! Eine kurze Sache waren danach Roxie 77. Die amerikanisch-schwedische Freundschaft hatte sich zur Aufgabe gemacht, den Weltrekord für die meisten gleichzeitig auf einer Bühne gespielten E-Gitarren nach Schweden zu holen und schaffte das mit ganzen 22 Stück, unter anderem von Kindern bedient, dann auch. Turisas müssen sich um solche Aufmerksamkeitshilfen kaum kümmern, sorgen die Humppa-Metaller mit ihren Kostümen und Shows doch schon für genug Aufsehen. Schwarz-rot bemalt hampelte und tanzte die Combo auf der im gleichen Farbkonzept gehaltenen Bühne zu schunkel-metallischen Nummern wie «We Ride Together», «Battle Metal» und natürlich dem Boney M-Cover «Rasputin», die zeitweise gar nah am Schlager vorbei schrammten, aber trotzdem oder vielleicht gerade deswegen für bierselige Feierlaune sorgten. Auch nordländische, aber elegischere Klänge schlugen danach die Isländer Sólstafir an. Pagan, Stoner, Post Metal, Sludge – funktioniert die ganz eigene Mischung des Quintetts auf Scheibe und entwickelt einen hypnotischen Sog, springt der Funke zumindest an diesem Tag nicht wirklich aufs Publikum über und nur wenige Festivalgänger lassen sich von der zu rumpeligen Darbietung packen. Masterplan traf da schon eher den Geschmack. Die deutschen Melodic Metaller um Mastermind und Gitarrist Roland Grapow (Ex-Helloween) zockten sich durch die mittlerweile auch schon fünf Alben zählende Bandgeschichte und stellten dabei gleich den neuen Fronter Rick Altzi vor. Passte der im Vergleich zu seinen Vorgängern raue Gesang bei rockenden Songs wie «Time To Be King» und «Crystal Night» nicht schlecht, konnte er Jorn Lande und Mike DiMeo streckenweise doch nicht ganz das Wasser reichen. Als Kontrastprogramm zu Alice Cooper beendeten Sparzanza dann den 4Sound-Tag. Bei uns noch ein unbeschriebenes Blatt, sorgten die Schweden beim vornehmlich jungen Publikum mit einer heftigen Mischung aus Modern Metal, Hardcore und Thrash, gepaart mit einer bewegungsfreudigen Performance für Nackenschmerzen am nächsten Tag, wobei es vor allem die elegischen Nummern waren, welche die Teens in Euphorie versetzten.

 
Sweden Stage
Bombus, man verzeihe mir das Wortspiel, waren Bombe! Besser jedenfalls hätte der Tag nicht anfangen können, denn ohne mit der Wimper zu zucken, rifften die vier Schweden alle Müdigkeit in Grund und Boden. Metal mit Eiern, oft groovend, dann auch mal thrashig oder ratternd wie Motörhead, tight gespielt und mit viel Headbangen vorgetragen, so sollte man jeden Tag geweckt werden. Leider wurde man (zumindest meine Wenigkeit) danach durch Robin Beck schon fast wieder zu einem Nickerchen verleitet. Die Melodic Rock-Lady und bessere Hälfte von House Of Lords Fronter James Christian trällerte sich fröhlich souverän und von versierter Backing Band begleitet durch schmalztriefende AOR-Nummern. Ob nach der Darbietung der für eine Coca-Cola-Werbung verwendeten Kitsch-Ballade «First Time» (1988 an der Spitze der Single-Charts in England, Deutschland und der Schweiz) der Konsum ebenjenes Getränkes sprunghaft anstieg, entzieht sich meiner Kenntnis. Jedenfalls blieb es gemütlich auf der Sweden Stage: Typisch britischer Folk Rock, dafür stehen The Men They Couldn't Hang. Der angegraute Fünfer, der seine grössten Erfolge in den 80ern mit sozialkritischen (Trink-)Liedern über Margaret Thatcher und ihre Politik gefeiert hatte, sang zusammen mit einem ebenso in die Jahre gekommenen Publikum gut gelaunt von der Ungerechtigkeit auf der Welt. Dass auch Uriah Heep eher zum alten, denn frisch gegossenen Eisen gehören, muss man niemandem erklären. Auch jüngere Generationen kennen die Truppe um Gitarrist und Zwischendurch-Sänger Mick Box. Die Flower Power Veteranen nutzten ihre gute Spielzeit für einen Querschnitt ihres fast 50-jährigen Bestehens. Vom Publikum alles wohlwollend goutiert, waren es dann aber erst das Schlussbouquet, bestehend aus «Lady In Black» und den Zugaben «Gypsy» und «Easy Livin», welche zu wahren Jubelstürmen führten. Es mag ja löblich sein, sich nicht nur auf seinen alten Hits ausruhen zu wollen, doch wenn es das ist, was das Publikum hören will, dann sollte man es ihnen geben. Anderes als bloss das alte Material liefern konnten Dark Angel gar nicht. Die 80er Thrash-Legende, in den letzten Jahren nur durch vereinzelte Gigs in Erscheinung getreten, zeigte sich in bester Abriss-Laune und forderte vom Publikum mit Headbang-Walzen wie «Darkness Descends», «Merciless Death» und dem finalen «Perish In Flames» auch die letzten, eigentlich für den Nachhause-Weg aufgesparten Kräfte.


Festival Stage

Die grösste aller "Sweden Rock"-Bühnen wurde dieses Jahr von Pretty Maids, den Nachbarn aus dem Süden, eröffnet. Wie so oft, lieferten die Dänen eine packende Show und vor allem Ronnie Atkins merkte man an, dass es solche Kulissen sind, für die der Fronter liebt. Kaum Überraschungen, dafür Hits an Hits bot die Setlist und das zu früher Stunde zahlreiche Publikum nahm Klassiker wie «Rodeo», «Love Games» oder «Future World» dankbar an. Für Festivals sind und bleiben die Mädels eben eine todsichere Nummer. Deutlich jünger, aber mit ähnlicher Garantie auf gute Stimmung gesegnet, sind Black Stone Cherry. Solch eine Spielfreude, wie das Quintett aus Kentucky an den Tag legte, sieht man viel zu selten und so ist es nicht erstaunlich, dass die Southern Power Rocker offensichtlich jedes Publikum in den Griff bekommen und eigentlich simple Party-Hymnen wie «White Trash Millionaire» oder «Blame It On The Boom Boom» zu Hüpf- und Mitsing-Orgien führten. In ähnlicher Manier, dabei ein Stück metallischer, machten danach Alter Bridge weiter. Myles Kennedy und seine Mannen liessen sich nicht zweimal bitten und starteten gleich mit der Hit-Nummer «Addicted To Pain» vom letzten Album «Fortress». Das reichte aus, um den Funken überspringen und das Publikum toben zu lassen. Dass dabei bewegungstechnisch auf der Bühne wenig abging, schien kaum jemanden zu stören. Ohne grosse Mätzchen (und ohne grosse Abwechslung) folgte Song auf Song, tosender Applaus auf tosender Applaus oder anders ausgedrückt: Schweden scheint den Amis einfach verfallen. Dass Alice Cooper auf ähnlich grosse Sympathien zählen durfte, war allen klar. Für seinen Headliner-Posten kramte der Meister des Schockrock wie gewohnt in der Requisiten-Kiste, fand darin aber nur wenig Neues. Mit gewohnt tadelloser Backing Band, dann noch inklusive der so bezaubernden wie begabten, mittlerweile aber abgetretenen Orianthi an der Gitarre, gab es erstochene Babys, old fellow Frankenstein, etwas Irrenanstalt, den obligaten Galgen und weitere dazugehörige Must-Plays. Rock-Entertainment pur, aber eben ohne Überraschungen. Die gab es erst, nachdem Cooper mit «I Love The Dead» ins Totenreich abgestiegen war und mit «Break On Through (To The Other Side)» von den Doors, «Revolution» von den Beatles, «Foxy Lady» von Hendrix und The Who's «My Generation» in voller Länge einen Vorgeschmack auf sein anstehendes Cover-Projekt darbot. Eigentlich sollte es ja nachdenklich stimmen, wenn der spritzigste und spielfreudigste Part einer rund zweistündigen Show aus Songs anderer Musiker besteht, doch ganz ehrlich: Zumindest an diesem Abend interessierte das niemand. Spätestens dann nämlich war das ganze "Sweden Rock" angesteckt von der ausgelassenen Stimmung auf der Bühne und als dann zur obligaten Zugabe «School's Out» Cooper-Buddy Rob Zombie zum Mikro griff, herrschte Ausgelassenheit rundum. So endete dieser Abend mit vielen zufriedenen Gesichtern.

Rock Stage
Was für ein Start! Anstatt mit einer eigenen Nummer, legten Jake E. Lee's Red Dragon Cartel gleich mit Ozzy's «Ultimate Sin» los. Für alle, die es nicht wissen: Jake E. Lee war mal dessen Klampfer und spielte nicht nur die genannte Kultscheibe, sondern auch das ebenso legendäre «Bark At The Moon» Album ein, dessen Titeltrack die morgendliche Lektion in Sachen Gitarrengott-Sein abschliessen sollte. Tadellos zockte dazwischen seine derzeitige Band aktuelles Drachenkartell-Material wie Songs aus Lee's Zeiten unter dem Badlands-Banner. Das zwischendurch mal sein Amp ausstieg, liess diesen dabei nicht nervös werden. Es sei ja nicht seiner, witzelte er. Mit einem Highlight für Frickel-Freaks ging es danach weiter. Transatlantic sind die aktuelle Soupergroup des Prog Rock und nur schon die Musikernamen lassen Genre-Fans in Orgasmen ausbrechen: Mike Portnoy auf dem Podest am rechten Bühnenrand an den Kesseln, Tastenmann Ted Leonard (Enchant, Spock's Beard u.a.) ihm gegenüber und dazwischen Roine Stolt (The Flower Kings), Pete Trewavas (Marrilion) und natürlich Neal Morse (Spock's Beard). So erhaben wie lustvoll bescherten die Herren dem staunenden Publikum ein mal sphärisches, mal vertracktes Klangerlebnis, wechselten untereinander die Gesangsparts oder gaben sie an Immer-mal-wieder-Gast Daniel Gildenlöw (Pain Of Salvation) ab. Einfacher, aber nicht weniger wirkungsvoll gingen danach Tesla zu Werke. Die US-Stadion Rocker, immerhin seit über dreissig Jahren "on the road" (mit einer Pause in den 90ern), schöpften aus dem Vollen ihrer Diskographie und ballerten stramme Rocker wie «Hang Tough» oder «Comin' Atcha Live» ebenso raus, wie die unverwüstliche Power-Ballade «Love Song». Sänger Jeff Keith strahlte dabei bis in die hintersten Reihen des Publikums, bzw. seines Gebisses und alle Anwesenden freuten sich ab dem jungen Gitarristen Dave Rude. Danach war Zeit für Rob Zombie und seine Monster-Truppe. Grosse Portraits alter Horrorfilm-Helden zierten einmal mehr die Bühne und sorgten für die richtige Grusel-Stimmung. Industrial, der nie seine Rockwurzeln vergisst, dafür steht Rob Zombie und damit zog er bald das ganze Festival in seinen Bann. Ja, da steppte der Bär und zwar nicht nur vor der Bühne: Gitarrero John5 (Ex-Marilyn Manson) fiel, wie die gesamte Band, nicht nur durch sein unverkennbares Klampfen, sondern auch und gerade durch seine pausenlose Wirbelwind-Performance auf. Gegen Ende der Show stimmten sie dann noch «Schools Out» von Alice Cooper kurz an und schürten die Hoffnungen, dass Herr Zombie später bei der Alice Cooper Show reinschauen würde. Schade nur, dass der Überhit «Dragula» nicht ganz so kraftvoll daher kam wie der Rest des Sets, während welchem Rob die Meute wie gewohnt stets im Griff hatte.
 
 
Rockklassiker Stage
NEMIS - New Music In Sweden, so nennt sich ein schwedisches Newcomer-Gefäss, und am Donnerstag stand die Rockklassiker Stage im Zeichen von genau jenem. Schwedische Rockmusik unterschiedlichster Sorte, wobei der Schein wie so oft trügen konnte. Zum Beispiel bei Season One. Kaum zu glauben, aber es scheint Bands zu geben, die sich komplett in Zebra-Garderobe kleiden und trotzdem keinen Glam/Sleaze machen. Auf eher inspirationslosen Modern Metal, wie ihn das aufgetackelte Quintett zockte, wäre ich jedenfalls vom Anblick her nicht gekommen. Da passte bei Mamont Verpackung und Inhalt schon besser. Bunt gemusterte Hemden, Schlaghosen, Schnauzer - mit retro Aussehen und retro Klängen, genauer psychedelisch angehauchtem Stoner mit viel Hall, aber auch genau so viel Groove, meditierten die Jungs das eher überschaubare Publikum in die 70er zurück. Und gleich von Feral wieder zurück gerissen in die brutale Gegenwart. Oder nicht ganz, denn der mal groovende, mal angeschwärzte Death Metal, tight und fett, hätte gerade so gut aus den frühen 90ern stammen können. VA!? Hauten da schon einiges fröhlicher (und auch publikumsgenehmer) in die Saiten. Eingängiger Glam Rock, von T-Rex und Kiss ebenso inspiriert wie ihren Landsfrauen Crucified Barbara, nicht lupenrein gezockt zwar, dafür mit ordentlich Feuer unterm Hintern. Auch Eyes Wide Open schienen voller Energie, doch interessierte deren US-Modern Metal, irgendwo zwischen Sonic Syndicate und Disturbed, kaum. Also lieber zurück in die 70er und zwar mit The Crystal Caravan. Ob man nun auf den treibenden Heavy Rock mit psychedelischen Ausreissern stand oder nicht: Wer einen Fronter wie Niklas Gustafsson hat, der in für seinen Bauchumfang knapper Zirkus-Uniform unbändig über die Bühne sprintete und dabei seine Wampe ebenso ungeniert präsentierte wie seinen Handwerker-Ausschnitt, der hypnotisiert eben nicht nur, sondern liefert auch superbe Unterhaltung ab. Doch auch danach gab es was fürs Auge und zwar im klassischen Sinne. Taco nennt sich die Front-Frau der Kick-Ass-Rocker BEAST! und sieht nicht nur verschämt gut aus, sondern tritt, wie es das Genre verlangt, mit ihrem rauen Pub-Rock auch ordentlich Arsch. Dagegen hätten die Möchtegern-Macker Ammotrack, der Absacker des Abends, gleich einpacken können, die Mustasch's Stampf Rock mit poppigen Melodien zu kreuzen scheinbar für eine gute Melodie hielten.



Freitag, 06.06.2014
4Sound Stage
Den Tag auf der zweitkleinsten Bühne eröffneten die Australier Kings Of The Sun und wandelten dabei auf den Spuren von unumgänglichen Landsleuten wie AC/DC und Rose Tattoo. Pub Rock, hin und wieder mit AOR-Sprenkeln, ganz ordentlich, halt 08/15. Um Längen überzeugender waren danach die Briten der wiederbelebten Jaguar mit ihrem Original-NWOBHM. Vor allem Sänger Jamie Manton spürte den zweiten (oder dritten?) Frühling, hüpfte zuerst einmal gleich in den Fotograben, um mit einem Fotografen zu tanzen und alle Fans einzeln zu begrüssen. Das zugegeben überschaubare Publikum dankte es ihm und seinen ebenfalls spritzig aufspielenden Mitmusikern mit frenetischer Rückmeldung. Danach hätten Lynch Mob spielen sollen, doch da deren Auftritt leider abgesagt hatte werden müssen, luden die heimischen Electric Boys nach ihren gloriosen Auftritten von 2009 und 2012 zur Party. Die Hippie-Sleaze-Rocker überzeugten einmal mehr und mit einem Blick auf den bis ganz hinauf gefüllten Hang, hätte man sich gewünscht, dass die Jungs um Conny Bloom mit den gleichzeitig auf der Festival Stage böllernden Kvelertak den Platz getauscht hätten. Danach folgten die überflüssigen Royal Republic. Mit ihrem poppigen Garage Rock passt das Quartett aus Malmö zwar ebenso wenig an ein "Sweden Rock" wie Mando Diao, doch zumindest die jüngste Besucherschicht liess sich die Posterboys nicht entgehen. Um zu zeigen, dass sie doch ordentlich rocken können, wurde kurz Metallica's «Battery» angespielt. Geht doch, dachte man, doch schon ging es wieder weiter mit fröhlichen Mitsing-Melodien im Hüpf-Rhythmus. Genau so die Sprunggelenke belastet haben soll danach Sir Reg, dessen Irish Rock wir wegen der unverzichtbaren, leider aber viel zu kurzen Pressekonferenz von Black Sabbath ungehört lassen mussten. Als Überraschung des Tages konnten dann zu später Stunde Death SS her halten. Aus Italien kommend, überzeugten sie mit ihrem Shock Rock, unverkennbar inspiriert von Alice Cooper und ergänzt durch schwarzromantischen Gothic Rock zwischen Type O Negative und Lacuna Coil. Dazu passend gab es Mikroständer mit Kruzifixen, etwas billig projezierte Düster-Videos und eine tanzende Nonne, die sich zu so klischeehaften wie unterhaltsamen Songs namens «Baphomet», «Let The Sabbath Begin» oder «Vampire» entblösste, um die Kruzifix-Masturbationsszene aus «Der Exorzist» nachzuspielen. Eine Show wie ein Grindhouse-Movie: etwas trashig, etwas verrucht, dabei auch etwas voraussehbar, vor allem aber verdammt unterhaltsam.
 
Sweden Stage
Scheuklappen kennt dieses Festival keine, wenn es um verzerrte Gitarrenmusik geht. Das hilft nicht zuletzt, auch junge Zuschauer zu generieren. Davon hatte es jedenfalls, wie später auch bei Royal Republic auf der 4Sound Stage, viele im Publikum, als Skillet den Tag auf der Sweden Stage eröffneten. Die geschlechtergemischte Truppe mischte Ami-Rock mit Electro und sorgte damit für eine hüpfende und kreischende Teenie-Masse. Was dabei alles live gespielt wurde und was ab Band kam, wie etwa der nur gelegentlich von Sunnyboy und Fronter John Cooper in die Hand genommene Bass, wurde nicht ganz ersichtlich, schien das Publikum aber auch nicht zu kümmern. Deutlich interessierter an technischem Können waren da die Fans von Q5, beziehungsweise am technischen Können von Gitarrist Floyd Rose, der mit seiner Erfindung des gleichnamigen Gitarrentremolos seither das Spiel von Gitarristen auf der ganzen Welt prägt. Dergestalt enttäuscht war dann aber ein grosser Teil der Anwesenden, als diese feststellen mussten, dass eben dieser Mr. Rose derzeit nicht mit der von ihm gegründeten Band unterwegs ist. Trotzdem oder gerade deshalb liessen die beiden aktuellen Gitarristen keine Gelegenheit zu ihrem 80ies Hard Rock verstreichen, um am tonverändernden Hebel zu rütteln. Eine deshalb überflüssige, ja enttäuschende Darbietung. Da war man froh, danach mit Annihilator eine ordentliche Riffwalze um die Ohren gehauen zu bekommen. Die kanadische Thrash-Institution um Shredd-Meister Jeff Waters konzentrierte sich dabei hauptsächlich auf Klassiker der Sorte «King Of The Kill» (wie immer gesungen von Waters selber), «Set The World On Fire» oder natürlich «Alison Hell». Zockte messerscharf wie gewohnt energiegeladen und erntete dementsprechenden Applaus. Den Gipfel in Sachen Kult folgte aber erst noch und zwar in Form von Canned Heat. Seit knapp fünfzig Jahren (!) existiert die Band, die beim "Woodstock Festival" 1969 auftrat und deren Boogie-Hit «Going Up The Country» zu einer der Hymnen der Flower Power Bewegung wurde. Mit ihrem anderen grossen Hit «On The Road Again» startete die Altherren-Runde um Drummer Fito de la Parra eine so intime wie beeindruckende Lehrstunde in Sachen bluesigem Boogie-Rock. Es mag an der melancholischen Abendstimmung gelegen haben, an den zufriedenen Gesichtern ergrauter Rock-Veteranen oder dem weltvergessen neben mir tanzenden Hippie-Mädchen, doch boten die vier so tight wie beseelt aufspielenden Herren im Pensionalter mir mit ihrer Show das ehrlichste und einnehmendste Konzerterlebnis seit Langem. Sich danach noch auf Therion einzulassen, war keine leichte Sache. Bombast anstatt Reduziertheit, Theatralik anstatt Gelassenheit war angesagt. Mächtig war die Show, gespickt mit Gastmusikern und einer Best-Of Setlist jedoch allemal. Genau so wie die Musiker und SängerInnen nicht nur technisch über jeden Zweifel erhaben waren, sondern auch für ordentlich für Bewegung auf der Bühne sorgten. Ein tadellos inszenierter Auftritt.
Rock Stage
Auf der zweitgrössten Bühne des Festivals wurde am Freitag der schwedische Nationalfeiertag zelebriert. Man stelle sich einen Schweden vor, der am 1. August in die Schweiz kommt und nationalen Grössen wie Tony Vescoli zuschaut, wie er den Schweizer Psalm intoniert und 10'000 Leute mitjohlen, dann hat man in etwa ein Bild davon. Danach kam dann aber einer der Höhepunkte und zwar ebenfalls aus Schweden. Endlich mal wieder Talisman auf der Bühne, angeführt von einem stimmlich wie charismatisch einmal mehr überzeugenden Jeff Scott Soto. Als Tribute-Show für Marcel Jacob (dem Gründer von Talisman), der vor fünf Jahren verstorben war, war diese einmalige Reunion-Show gedacht und spätestens beim Song «I'll Be Waiting» standen und sangen alle mit, als würde die Nationalhymne wiederholt. Ein überwältigender Moment. Danach war Joe Bonamassa dran, die Schweden zu überzeugen und er hatte keine Mühe damit. Der Saitenvirtuose spielte mit seiner Gibson Les Paul den Blues mit rockiger Note, mal schnell, mal langsam, ohne dabei aber eine Gelegenheit für ein ausgedehntes Solo auszulassen. Mit Sänger Tony Harnell am Mikrophon und gradlinigem 80er Hard Rock starteten die nachfolgenden Norweger TNT einen Weckruf, falls jemand beim guten Bonamassa eingeschlafen sein sollte. Wenn man auf solch eine Diskographie zurück blicken kann und es dann auch noch beherzt scheppern lässt, hat man die Leute locker auf seiner Seite, sodass Evergreens wie «As Far As The Eye Can See», «Seven Seas» und zu guter Letzt natürlich «10'000 Lovers» gehörig abgefeiert wurden. Nun folgte auf der selben Stage wie anno 2006 und 2010, also schön im Vierjahresrhythmus, W.A.S.P. Bei den vergangenen Shows noch ziemlich gut im Schuss, wirkte Blackie Lawless dieses Mal eher träge und sah total aufgedunsen aus. Dafür kommunizierte der ehemalige Bürgerschreck, mittlerweile aber gottesfürchtige Fronter lockerer und vor allem freundlicher mit seinem Publikum. Dieses feierte die obligaten Hits wie «Wild Child» oder «I Wanna Be Somebody», aber auch eher "sanfte" Nummern wie «Sleeping In The Fire» oder «Forever Free» überschwänglich ab, übersahen Blackies Formtief also treuherzig. Wegen eines Todesfalls in der Familie hatten sich Megadeth relativ kurzfristig dazu entschieden, ihre komplette Europa-Tournee abzusagen. Anstatt Megadave, gab es deshalb den Panzer-Udo als Nachschlag zur vergleichsweise frühen Headliner-Show von Black Sabbath. Und um es kurz zu machen: Der Ersatz war wohl eher ein Upgrade. Solch eine arschtighte Show, wie sie U.D.O. an diesem Abend darboten, hätten Megadeth nicht hinbekommen. Ob Stampfer neueren Datums oder alte Accept-Keulen, die schwedischen Massen stehen auf Metal made in Germany und tobten dementsprechend. Dass Udo Dirkschneider im Studio schon seit einigen Jahren nicht mehr die grossen Würfe gelingen, er vielmehr das immergleiche Album alle zwei Jahre mit neuem Titel auf den Markt bringt, ist schade. Dass der würfelförmige Riff-General live in seinem Camouflage-Zweiteiler jedoch noch immer ganze Battalione zum kollektiven Headbangen abkommandieren kann, beeidruckt immer wieder. Und steckt an, sodass man bei allem Meckern am Ende doch selig «Metal Heart» und «Balls To The Wall» mitgröhlt.
 
Festival Stage
Schwedischer Nationalfeiertag hin oder her, aber dieser Act war jetzt einfach zu schräg. Zwei abgehalfterte Comedians jenseits der 50 und in trashigen Anzügen lallten schwedische Texte zu 80ies Reggae-Sounds und wurden dabei von einem kleinen Backing-Chor in Flamingo-Outfit unterstützt. Die Electric Banana Band eröffnete den Freitag auf der Festival Stage mit Euphorie unter den Einheimischen und verständnisloser Irritation bei allen internationalen Gästen. Leider ebenfalls irritiert wirkte danach das Publikum beim Auftritt von Kvelertak. In ihrem wuchtigen Sound sprengen die Norweger sämtliche Genre-Grenzen, Stoner, Sludge, Hardcore, Melo Death, Prog, Punk und Kick Ass, doch das brachte an diesem Nachmittag alles nichts. Das insgesamt eher konservativ eingestellte "Sweden Rock" Publikum wollte von dieser extremen Mischung schlicht nichts wissen und so war alles noch so energiegeladene Headbangen und Riffen eigentlich vergebens. Nicht, dass es an diesem Festival keine Fans der Band gegeben hätte, doch eben nicht genug für die gigantische Hauptbühne und so lautete das Fazit: Gerne wieder, doch das nächste Mal bitte auf der 4Sound oder Sweden Stage. Mit ihrem symphonischen Melodic Metal entsprachen Kamelot da schon eher dem Geschmack der Anwesenden. Angeführt vom ebenfalls norwegischen Shouter Tommy Karevik liessen die Amis die Double-Bass rasen, die eine oder andere Pyro-Attacke in die Luft gehen und schienen sich sowieso pudelwohl zu fühlen auf der riesigen Bühne. Persönlich überhaupt nicht (mehr) meine Baustelle, musste man anerkennen, dass die Herren die Masse mehr als genug im Griff hatten, damit bombastische Drachen- und Kriegerhymnen wie «Ghost Opera», «Sacrimony (Angel Of Afterlife)» oder «March Of Mephisto» die epischen Publikumschöre erhielten, die sie von ihrer Theatralik her forderten. Wie schon vor zwei Jahren bei seinem Solo-Besuch am "Sweden Rock", bevorzugte Herr Osbourne auch mit Black Sabbath eine frühere Spielzeit als andere Headliner. Schon um 20 Uhr wartete so da gesamte, wirklich gesamte (keine andere Band spielte zu diesem Zeitpunkt) Publikum auf die Wiederkehr der Gründerväter des Heavy Metals. Doch als sie dann da waren, Ozzy, Tony Iommi, Geezer Butler und Bill Ward-Ersatz Tommy Clufetos, herrschte zumindest bei mir Enttäuschung. Und zwar überhaupt nicht wegen der Band, sondern wegen den Besuchern. Wurde «War Pigs», wie auf der gesamten Tour der Opener, noch frenetisch bejubelt, also wie es sich gehört, wenn eine Legende auf der Bühne steht, fiel die Stimmung schon bei Song Nr. 2, dem alles andere als unbekannten «Into The Void» in Richtung Keller. Es mag weiter vorne, näher an der Bühne, mehr abgegangen sein, doch schon vor dem Mischpult herrschte bei unerreichten Doom Rock-Hymnen wie «Snowblind», «Fairies Wear Boots» und sogar bei der Bandhymne «Black Sabbath» eher höfliches Interesse denn glückselige Ekstase. Klatschen taten die Schweden zwar ganz ordentlich, egal ob Geezer Butler seinen Bass beim um ein Solo verlängerten Intro von «N.I.B.» knattern liess, neues Material vom letztes Jahr veröffentlichten Reunion-Album «13» gezockt wurde oder Ozzy mit «Kuckuck»-Rufen und kesselweise Wasser das Publikum anzuheizen versuchte, doch eine Rock'n'Roll-Party sieht anders aus und man hatte fast das traurige Gefühl, dass die Mehrheit der anwesenden Leute Black Sabbath nur von irgendwelchen «Best Of Rock»-Samplern her kannten. Einzig bei den ewigen Gassenhauern «Iron Man» und «Paranoid», letztere Nummer als finale Zugabe, schlug das Stimmungsbarometer nämlich etwas nach oben aus und im Nachhinein bin ich verdammt froh, die Chance genutzt zu haben, diese Pioniere des harten Riffs zwei Wochen später im Hallenstadion noch einmal bei gebührendem Ambiente zu erleben.
Rockklassiker Stage
Mit elektrifizierter Frauen-Power startete der Freitag auf der Rockklassiker Stage. Die fünf Girls von Thundermother wandelten gut gelaunt auf den Spuren von Pub Rock Bands à la AC/DC und Rhino Bucket, bzw. schwedischem Kick-Ass der Sorte Hellacopters. Der passende Sound für eine feuchtfröhliche Rock-Party im Club, das auf jeden Fall, doch bleibt dahin gestellt, ob die Band dieselbe Aufmerksamkeit erhalten würde, bestünde sie eben nicht aus Donnermüttern, sondern -vätern. Alles andere, als sich um das Interesse des Publikums zu sorgen, mussten danach die Rockklassiker Allstars. Die bereits letztes Jahr abgehaltene Cover-Sause unter schwedischen Rockstar-Kumpels (u.a. Joacim Cans von HammerFall und Ian Haugland von Europe) sorgte schon 2013 für immensen Andrang. Dass es dieses Jahr vor der kleinsten Bühne noch enger wurde, hatte nicht zuletzt mit einem very Special Guest zu tun: Da bei Motörhead wegen Lemmys Gesundheit gerade Zwangspause angesagt war, setzte sich Mikkey Dee, bekannterweise auch Schwede, für ein paar Songs, u.a. «Ace Of Spades», hinter die Kessel. Ansonten gab es von Twisted Sister («We're Not Gonna Take It») bis Dio («Holy Diver») die klassische Rock Live-Disco und dergestalt war auch die Stimmung. Diese konnten Blues Pills trotz ihrer Vorschusslorbeeren nicht ganz halten. Die derzeit auf allen Kanälen bejubelten Retro-Newcomer erfüllten die Erwartungen jedenfalls nicht vollends. Spielerisch einwandfrei, von Elin Larsson mit ihrer souligen Joplin-Überstimme bis zum klampfentechnischen Jungvirtuosen Dorian Sorriaux, herrschte eine undurchschaubare Zurückhaltung auf der Bühne. Bluesige Heavy Rock Nummern wie «Devil's Man» oder «Black Smoke» kamen sauber und tight, mehr aber nicht. Was fehlte, war Spontaneität und Lockerheit und zumindest ich kam nicht umhin, mich zu fragen, ob der Aufstieg und die grossen Bühnen für diese Truppe nicht doch etwas zu früh gekommen waren. Eine ähnlich kometenhafte Steigerung ihrer Bekanntheit erlebten in den letzten Jahren auch Heaven's Basement. Englischer Herkunft, rockt das Quartett nach amerikanischem Rezept, soll heissen mischt melodischen Hard Rock mit Sleaze-Parts, modernen Versatzstücken und Stadion-Atmosphäre. Dass dieser austarierte Mix funktioniert, bewiesen die Briten mit einer so kraftvollen wie sattelfesten, um nicht zu sagen fast schon unsympathisch professionellen Performance.
Samstag, 07.06.2013

4Sound Stage
Gerade mal vor etwas mehr als einem Jahr formiert, eröffneten die schwedischen R'n'R-Jungs The Hawkins die 4Sound Stage. Bluesiger Hard Rock mit leichten 70ies Anleihen, aber auch AC/DC-Einflüssen. Nett zum Aufwachen, mehr aber nicht. Schon länger, aber erst seit Kurzem wieder gemeinsam, verläuft die Geschichte von The Rods. Die Kult US-Metaller um Sänger und Gitarrist David 'Rock' Feinstein, der von seiner Gestalt her noch etwas koboldartiger wirkte wie sein berühmter Cousin Ronnie James Dio (R.I.P.), überzeugten vor allem, aber nicht nur mit unbändiger Spielfreude ihr überschaubares aber dankbares Publikum. Um einiges grösser war danach die Masse vor der Bühne bei Powerwolf. Trotz sengender Hitze liessen es sich die vampiresken Power Metaller und allen voran Fronter Attila Dorn nicht nehmen, ihre bekannt theatralische Show aufzufahren. Alles andere hätten die Fans wohl auch nicht akzeptiert, gehört das Transilvanien-Feeling doch genau so zu dieser Band wie Mitsing-Smasher der Sorte «Raise Your Fist Evangelist», «We Drink Your Blood» und «Lupus Dei». Auf jeglichen Schnickschnack verzichteten hingegen Five Horse Johnson. Erdig und bluesig liess das Quintett ihren Southern Rock mit Stoner-Anleihen in den Nachmittag hinein donnern und sicherte sich somit den Applaus des grössten Publikums der 4Sound Stage an diesem Tage. Mit ihrem elegisch folkigen Doom Metal waren die nachfolgenden Avatarium nämlich eher was für Kenner. Die Newcomer, deren Geschicke im Hintergrund von Candlemass-Mastermind Leif Edling als Produzent und Songwriter geleitet werden, überzeugten durch wuchtige Riffs, genau so wie folkige Akustikgitarren-Passagen, vorgetragen von der reizenden Jennie-Ann Smith. An Lockerheit und Selbstsicherheit darf die blonde Frontdame zwar ruhig noch etwas zulegen, und auch vom Songwriting her wäre gegen etwas mehr Abwechslung nichts einzuwenden. Alles in allem jedoch hinterliess das Quintett einen so sympathischen wie potenten ersten Live-Eindruck. Vorstellen, das müssen sich Asphyx schon lange nicht mehr. Zumindest bei Fans der härteren Gangart sind die Holländer berühmt berüchtigt für eine ordentliche Tracht Ohren-Prügel. Ihr schonungsloser grimmiger Death Metal, der einen stimmungstechnisch in die 80er zurück versetzte, war das perfekte Kontrast-Programm für all jene, denen der Party-Sound von Volbeat zu poliert und fröhlich war.
 
Sweden Stage
Eine waschechte American Freakshow wurde schon am Mittag auf der Sweden Stage geboten. Die legendären 80er US-Rocker Madam X (u.a. Mit Roxy Petrucci von Vixen) glänzten vor allem optisch, bzw. aktionstechnisch, indem Basser Gozilla X zum Beispiel gleich zwei seiner Tieftöner zu Kleinholz zerdepperte und sich danach vor Anstrengung gleich hinter die Bühne übergeben musste. Eher ungewollt boten auch Sodom vollen Körpereinsatz, indem Fronter Tom Angelripper rückwärts über seinen Monitor auf dem Hintern landete. Ohne ernsthafte Blessuren riffte sich das Ruhrpott-Trio danach durch Thrash-Klassiker wie «Agent Orange» und «Ausgebombt» und rüttelte damit das sich sonnende Publikum wach. Bei Saga hingegen kehrte dann schon beinahe wieder laue Abendstimmung ein. So gut gelaunt wie ihr überraschend textsicheres Publikum bot das Quintett AOR / 70ies Prog mit mehr Synthies denn Gitarren (ganze drei Tastentürme). Alles andere als harmonisch lärmte es danach bei Emperor aus den Boxen. Der erste Gig der Kult Black Metal Truppe um Ihsan (mit unpassender, gold-weisser Ibanez Iceman) zog zahlreiche Jünger vor die Bühne, deren Fäuste zum symphonischen Schwarzmetall verbissen in den nächtlichen Himmel ragten. Für das finale Headbangen zeigte sich dann Arch Enemy verantwortlich. Dass sich nach Mitternacht, während Volbeat gerade auf der Hauptbühne bollerten, der ganze Hügel füllte, war wohl nicht zuletzt der Neugierde vieler Fans auf die neue Sängerin Alissa White-Gluz geschuldet. Die Nachfolgerin von Angela Gossow, von ihr selbst erwählt, meisterte ihren Job souverän und zapfte zusammen mit ihren Axt-Sekundaten Michael Amott und Nick Cordle die allerletzten Kraftreserven ab.

Rock Stage

Wie schon vor einem Jahr, startete der letzte Tag auf der Rock Stage mit Sonne und psychedelischen Riffs. Liessen damals Masters Of Reality schon am Mittag das Publikum ins Weltall schweben, war diese Aufgabe heuer Monster Magnet beschieden. Die Space-Rock Legende um den immer mal wieder verdrogten, dann wieder cleanen Dave Wyndorf überzeugte mit dröhnendem Sound, lustvollen Jams und natürlich Exzess-Hymnen der Sorte «Negasonic Teenage Warhead», «Powertrip» und «Spacelord». Die britische 70ies Legende Foghat entsprach mit ihrem Blues und Boogie Rock danach zwar eher dem Geschmack der "Sweden Rock" Mehrheit, konnte zumindest mich aber nicht restlos begeistern. Garanten für gute Stimmung und Mitklatschen sind angestaubte Slide-Guitar-Klassiker wie «Fool For The City», «Home In My Hand» oder das als Finale gezockte «Slow Ride» zwar noch immer, doch fehlte der dauernd wechselnden Besetzung (nur noch Drummer Roger Earl ist aus frühen Tagen dabei) irgendwie der ehrliche Groove, wie ihn am Vortag Canned Heat versprüht hatten. Weniger Groove, dafür umso mehr Bombast boten danach Within Temptation. Die Holländer um Frontfrau Sharon den Adel wurden ihrer Rolle als momentan vielleicht grösste Symphonic Metal Band (jedenfalls seit den Sängerinnen-Querelen bei Nightwish) mehr als gerecht und spielten vor imposanter Bühnenkulisse und, von unzähligen Feuersäulen unterstützt, eine umwerfende Show vor tobendem Publikum, die den Fokus vor allem auf das aktuelle Werk «Hydra» und den Vorgänger «The Unforgiving» legte. Überraschend gesittet blieb die Stimmung im Anschluss beim Hard Rock Hillbilly schlechthin: Ted Nugent. Für einzig diesen Auftritt hatte er diesen Sommer sein geliebtes Amerika verlassen und dessen überdimensionierte Flagge passenderweise als Backdrop Verwendung fand. Doch so richtig Anklang fand der Motor City Man nicht. Mag es an seinen in letzter Zeit getätigten wie grenzdebilen Hinterwäldler-Äusserungen gelegen haben oder schlicht an dem Umstand, dass sein hin und wieder country-versetzter Heavy Rock'n'Roll über neunzig Minuten und bei immer gleichem Lärmpegel (wohl die lauteste Show des ganzen Festivals!) mit der Zeit ermüden liess; bis auf ein zwei nostalgische Klassiker-Momente («Stranglehold» und natürlich «Cat Scratch Fever») rauschte dieser Auftritt an einem (oder zumindest an mir) irgendwie spurlos vorbei. "Music is love" krächzte Nugent immer wieder in sein überdimensioniertes Headset Mikrophon. Auch Liebe kann manchmal anöden.

Rockklassiker Stage
Der letzte Festivaltag begann mit einem Knaller, ja vielleicht dem Knaller des ganzen Festivals! Und um ehrlich zu sein: Nichts anderes hatte ich von Horisont erwartet. Mit kreischenden Double-Lead Gitarren, groovender Sharpness und einfach grossartigen Songs legten die einheimischen Retro-Rocker eine astreine Show hin, an der sich auch bedeutend grössere Namen auf deutlich grösseren Bühnen würden messen müssen. The Night Flight Orchestra zum Beispiel schafften das nicht ganz. Technisch einwandfrei und lustvoll zockte das Side-Project von Soilwork's Björn Strid seinen orgelverstärkten Classic Rock, doch das Ganze wirkte im Vergleich zum vorherigen Kuttenrock zu glatt und kalkuliert. Mit einem Sympathiebonus konnten danach Pain Of Salvation in ihr Set starten. Deren Kopf Daniel Gildenlöw stand nämlich nach einem langwierigen Kampf gegen eine Virus-Infektion zum ersten Mal wieder auf der Bühne. Eindringlich und tight wie eh und je zockte er gemeinsam mit seiner Truppe Prog-Metal Unikate wie «Used&», »Ashes» oder «Linoleum» und die Freude darüber, dies endlich wieder tun zu können, stand ihm wie seinen Fans ins Gesicht geschrieben. Necrophobic hingegen boten keinen Platz für Rührseligkeiten. Angeschwärzter Death Metal, der vor allem in ihrer Heimat Kult-Status besitzt, begeisterte das Publikum und schändete die Nackenwirbel. Ähnlich sahen das auch Flotsam And Jetsam. «No Place For Disgrace», also "kein Platz für Schande", shoutete Erik A. Knutson und fasste damit die vorhergehende Show zusammen. Old School Thrash, tight und energetisch, ballerte die wiedererstarkte Kult-Truppe in den Samstag Abend hinein und beendete damit das Treiben auf der kleinsten Bühne des Sweden Rock.
 

Festival Stage

Ehrlich überrascht zeigte sich Fronter Ted Poley sowohl über die Anzahl der Anwesenden, als auch über die Anzahl Danger Danger-Shirts, als eben jene kurz nach Mittag die Festival Stage aus ihrem Schlaf erweckte. Die 80ies Hard Rocker aus New York zockten vor lauter Euphorie überschäumend Hits (die man im Gegensatz zum Namen der Band noch kennt) wie «Boys Will Be Boys», «Bang Bang» und «Naughty Naughty», wobei Poley sich dann auch noch zu einem Spaziergang im Publikum hinreissen liess. Eines der Festival-Highlights! Musikalisch wie auch vom freudigen Grinsfaktor her, ging es mit Y&T auf gleicher Höhe weiter. Dave Meniketti und seine Mannen genossen das Festival-Ambiente sichtlich, liessen sich auch zu bluesigen Jams hinreissen. Mit «Summertime Girls» hatten sie dazu auch den perfekten Hit mit im Gepäck, der aus abertausenden Kehlen mitgesungen, besser klang als jedes Studio-Playback, wie Meniketti danach stolz befand. Eine weitere Legende, so findet er auch in seiner eigenen Vorstellung von sich selbst, stand dann bei Sonnenuntergang auf der Bühne. Billy Idol, der 58-jährige Dauerjüngling gab sich weiterhin als Punk und peitschte das Publikum vom einleitenden «Postcards From The Past» bis zum abschliessenden Dreigespann «White Wedding», «King Rocker» und «Mony Mony» zu Höchstleistungen in Sachen Mitsingen und Klatschen an. Dabei zur Seite stand ihm wie seit je her Gitarren-Charmeur Steve Stevens. Und der würde es auch für immer bleiben, betonte Idol (ein Seitenhieb gegen Kollege Bon Jovi und seine Trennung von Richie Sambora?), und das zu recht: Stevens und Idol sind ein kaum zu übertreffendes Paar. Wenn der eine verschnaufte, drehte der andere auf und umgekehrt. Eine Two-Man-Show also war dieses Konzert, doch die Hits kamen, die Party-Stimmung auch, und so kam der Schlusspfiff für einige wohl auch nach circa hundert Minuten (zehn davon überzogen) zu früh. Was mir danach beim das Festival abschliessenden Headliner-Set von Volbeat vor allem in Erinnerung geblieben ist: Wie unglaublich bescheiden und dankbar sich die dänischen Elvis-Metaller gaben. Fronter Michael Poulsen konnte gar nicht oft genug betonen, wie dankbar sie seien und dass sie dies nie zu hoffen gewagt hätten. Derweil machten sich musikalisch und performatorisch klar, warum und wie sie in den letzten 10 Jahren von kleinen Club-Bühnen auf die riesige Festival Stage gelangt waren. Im Akkord feuerten die Dänen einen Party-Kracher nach dem anderen ins Publikum, angefange beim eröffnenden «Doc Holliday», über die Johnny Cash Hommage «Sad Man's Tongue» und «Evelyn» (mit LG Petrov von Entombed als Gast) bis zum finalen «The Mirror And The Ripper». Unterstützt von einer mächtigen Lightshow (beinahe genauso viel Licht vom unteren wie vom oberen Bühnenrand, dazu viel Strobo, drei verstellbaren Licht-Kreisen in Herzform und später ein brennendes Bandlogo) liess der Fünfer sein Publikum toben. Dass sich dabei die verschiedenen Songs nicht riesig voneinander unterschieden, ja man hin und wieder als Nicht-Fan sogar das Gefühl hatte, einen Song erst gerade eben schon gehört zu haben, schien das Gros der Anwesenden nicht sonderlich zu stören. Neidlos jedenfalls muss man anerkennen, dass Volbeat nicht nur die vielzähligen Teenie-Girls und -Boys in den vorderen Reihen (Hüpf- und Kreischalarm dort vorne!), sondern auch einige deren Eltern, bzw. gestandene Rocker in Feierlaune versetzten. Ein würdiger Headliner also? Von der Power, der Bühnenpräsenz und der Partytauglichkeit her bestimmt. Bei rund zwei Stunden Spieldauer führte das ewige Gebolze, das immer gleiche Rock'n'Rollen hingegen bald einmal zu Langeweile. Daran sollten die Jungs noch arbeiten. Das Potenzial jedenfalls ist da, die Euphorie der Fans auch, und so muss oder darf man dem "Sweden Rock" zu seinem Entscheid gratulieren, der nächsten Riff-Generation Rechnung zu tragen.