Livereview: Testament
03. Juli 2009, Sounddock14, Dietikon (ZH)
By Kissi    Pics by: Natalia Nikolskaya
Jahrelang machten sich Testament rar, sowohl auf Bühnen wie in den Verkaufsregalen der Plattenläden. Mit dem übermächtigen «The Formation Of Damnation» (Platz 33 der Schweizer Albumcharts) jedoch kehrte die Thrash-Institution aus der Bay-Area 2008 mit einem Schlag zurück in die erste Liga des Metals. Seither beackterte das Quintett auch brav die Bühnen dieser Welt. Nach dem gefeierten Gig im Transilvania vor etwas mehr als einem Jahr und dem viel zu kurzen Eröffnungs-Slot auf der diesjährigen Rundreise von Judas Priest kehrten Chuck Billy und seine Mannen nun ein weiteres Mal zu uns zurück und zwar ins Sounddock 14 in Dietikon. Mutete die Location am Nachmittag, als Metal Factory Bandgründer Eric Peterson zum Interview traf, noch eher wie ein x-beliebiger Schuppen mit Wellblechdach an, verwandelte sich der Laden abends in einen wahren Thrash-Hexenkessel. Vor praktisch ausverkauftem Haus geriet der Auftritt der Erschaffer von Metal-Meilensteinen wie «The Legacy» (1987) oder «The New Order» (1988) so zu nichts anderem als einem Sieg auf ganzer Linie und so auch zu einem weiteren Beweis für die von mir seit Monaten vertretenen These: Thrash is back!

Noch bevor die Lichter im Sounddock gedimmt wurden und «For The Glory Of...», das Intro der Formation der Verdammnis erschall, war es im kleinen aber feinen Schuppen vor allem eines: heiss! Mit den ersten Akkorden des Nackenbrechers «The Preacher» jedoch schien das Barometer auf einen Schlag weitere gefühlte 10 Punkte in die Höhe zu klettern, denn auch ohne Anheizer in Form eines Support-Acts war das Publikum vom ersten Riff an bereit, in die Vollen zu gehen. Und Testament gab ihnen das richtige Futter dazu: das bombastische «The New Order», «Over The Wall» und der Stampfer «Practice What You Preach», ein Stück soliden Stahls jagte das nächste, wobei auch die Band sichtlich Spass an der Sache hatte. Auf der eher kleinen Bühne, welche mit den Verstärkerwänden, dem Schlagzeug und den fünf Musikern mehr als ausgefüllt war, herrschte zwar wenig Bewegungsfreiheit, dennoch grinsten und bangten die Amis mit dem Publikum im Takt, allen voran Fronter Chuck Billy, welcher wie gewohnt und geliebt seinen Mikroständer als Gitarrenersatz benutzte und die Griffbrettakrobatik des ihn flankierenden Klampfenduos Eric Peterson & Alex Skolnick nachvollzog. Ein Lernbeispiel in Sachen «Mach das, was du predigst»! Beim rockigen «Electric Crown» indes zeigte sich das Publikum textsicher und sang den Refrain in beeindruckender Lautstärke mit, genau so wie die «Ohohoh»-Stellen beim aktuellen «More Than Meets The Eye» von «The Formation Of Damnation». Insbesondere die jüngere Garde an Thrash-Fans gab sich keine Blösse, sodass der vordere Teil des Sounddocks in einem permanenten Moshpit verharrte. Das galt auch für das pfeilschnelle, ebenfalls neue «The Persecuted Won't Forget», wie für das darauf folgende «Burnt Offerings».

Hatten Testament in der Vergangenheit des Öfteren mal mit Soundproblemen zu kämpfen, kreischten die Gitarrenlicks an diesem Abend glasklar und, man verzeihe mir die Ausdrucksweise, scheisse laut aus den Boxen (einzig Mr. Billy verursachte das eine oder andere Mal für die Ohren schmerzhafte Rückkopplungen, hielt er sein Mikro Richtung Publikum). Das schien vor allem Alex Skolnick massig Spass zu machen, stellte er sich doch, während seine Flitzefinger die Saiten bearbeiteten, immer wieder an den Bühnenrand, und begleitete seine Solos mit den dazu passenden Gesichtsverziehungen. Einzig Basser Greg Christian wirkte da im Vergleich zum nicht minder fröhlichen Eric Peterson oder dem unermüdlichen Paul Bostaph (welch eine Krachmaschine!) etwas bleich, stand der schlacksige Herr doch meist nur da, machte aber alles in allem einen souveränen, wenn auch nicht prickelnden Job. Umso beeindruckender wirkte der abwechslungsreiche Gesang Chuck Billys. Fand der Hühne in den letzten Jahren immer mehr Gefallen an tiefen Tönen, bewies er während «The Haunting», dass er auch immer noch hoch keifen kann und so wirkten die Lyrics während der viel zu wenig live gezockten Nummer von «The Legacy» wie ein akustisches Maschinengewehr. Dass danach alle eine gefühlvolle Verschnaufspause gebrauchen können, liegt auf der Hand und so wird «The Legacy» eher zum Durchatmen als zum Mitfühlen genutzt.

Diese Energie braucht man aber auch, denn mit «Into The Pit» gibt es für das Sounddock wirklich kein Halten mehr, vor der Bühne herrscht das Chaos, was sich auch bei «Souls Of Black» ond dem vorerst letzten Song, «Disciples Of The Watch», nicht ändert. Die dann folgende Pause dauerte nur kurz an und mit dem furiosen «D.N.R.» machten Testament an derselben Stelle weiter und liessen Köpfe ungesund kreisen. Beim Übersong «3 Days In Darkness» kamen dann nochmal die typischen «Ohohoh»-Chöre zum Einsatz, bevor mit «The Formation Of Damnation» endgültig die Reissleine gezogen wurde. Auch wenn Testament nach wie vor zeitweise auf der Bühne nicht so tight und präzsie agieren, wie sie es in Scheibenform tun, so bewiesen die fünf Herren aus der Bay Area doch ein weiteres Mal, dass Testament anno 2009 nichts anderes ist als eine der führenden Kapellen im Thrash-Zirkus, welche einen Part auf der gerüchteweise zustandekommenden Gigatour von Metallica, Slayer und Megadeth verdient hätten als etwa die unbeständigen Anthrax. So war der tosende Applaus, unter welchem sich Chuck Billy, Alex Skolnick und Co. Verabschiedeten mehr als verdient, genauso wie die unzähligen T-Shirts und Longsleeves, welche danach den Besitzer wechselten.

Setlist: «For The Glory Of...» - «The Preacher» - «The New Order» - «Over The Wall» - «Practice What You Preach» - «Electric Crown» - «More Than Meets The Eye» - «The Persecuted Won't Forget» - «Burnt Offerings» - «The Haunting» - «The Legacy» - «Into The Pit» - «Souls Of Black» - «Disciples Of The Watch»
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«D.N.R.» - «3 Days In Darkness» - «The Formation Of Damnation»