Es war ein Killer-Paket, welches unter dem Banner «The Bay
Strikes Back» tourte. Eines, das vor etwas mehr als zwei Jahren in
der fast gleichen Besetzung die Konzerthallen unsicher machte.
Damals gingen Testament zusammen mit Annihilator und Death Angel auf
Konzertreise. Dieses Mal wurden die Kanadier durch Exodus ersetzt
und drei der wohl bekanntesten, amerikanischen Thrash-Helden
beehrten das Zürcher Volkshaus. Aus rein nostalgischen Gründen kann
man sagen, dass dies hierfür die richtige Location war. Ich bin mir
aber sicher, hätte dieses Paket in Solothurn oder Pratteln
gespielt, es hätte mehr Besucher angezogen. An diesem Abend blieb
der Balkon in Zürich geschlossen (!), was für viele Besucher
überraschend war. Hätte diese Konstellation in den achtziger Jahren
den Weg hierher gefunden, wäre dieser Veranstaltungsort
garantiert ausverkauft gewesen. Alleine den Umstand, dass das
Konzert an einem Montagabend stattfand, lasse ich für den somit längst
nicht ausverkauften Konzertsaal nicht gelten.
Death Angel
Die 1982 gegründeten Death Angel legten einen furiosen Start hin.
Gewohnt agil war einmal mehr Sänger Mark Osegueda, der mit seinen
Sprüngen und seiner Gin-Flasche auf sich aufmerksam machte.
Gesanglich bewegte sich Mark zwischen von extrem stark, wie bei den
Schlussscreams zu «Thrown The Wolves», bis zu den die Leistungsgrenze
überschreitenden Momente bei «Seemingly Endless Time». Alleine aber
die Halford würdigen Schreie beim Outro von Judas Priest «Rock Hard
Ride Free» zeigten den Ami von seiner besten Seite. Die knapp fünfzig
Minuten Spielzeit nutzte der Fünfer am besten. Auch wenn die
Platzverhältnisse eher bescheiden waren, bewegten sich die beiden
Gitarristen, Rob Cavestany und Ted Aguilar, sehr viel, bangten was
die Halswirbel hergaben und legten einen Riffteppich vor, der
Seines-gleichen suchte. Ganz abgesehen von den traumhaften
solistischen Ausflügen von Rob. Souverän und fast schon lässig
stand Bassist Damien Sisson auf der Bühne, streckte die Pommesgabel
in die Höhe und grinste mit dem Publikum um die Wette. Dahinter sass Will Carroll
am Schlagzeug, trug sein «The Elder» Kiss-Shirt mit Stolz und
trommelte wie ein Wilder. Es war eine Thrashwand, die nur durch die
Spuckerei von Mark durchtrennt wurde. Die Jungs heizten das Publikum
an und einzelne Mosh-Pits bahnten sich den Weg durchs Publikum. Wie
es sich gehört, wurde passend zum Motto «The
Bay
Strikes Back» mit dem Uralthit «Varacious Souls» einer der
Meilensteine des Bay Area Thrash gespielt. Die Fans quittierten dies
mit grossem Applaus und lauten Death Angel-Rufen. "Thank you for
your support. Love you crazy motherfuckers", liess Mark die
Anwesenden wissen und seine Leidenschaft für den Metal aufflammen:
"Are you fucking ready? Keep the passion alive!" Die Grammy-Anwerter
waren der perfekte Opener für diesen Abend. Logisch stellte sich
nach diesem Gig die Frage, ob es denn eine Truppe geben würde, die
noch besser abliefert? Denn mit dem Abrisskommando «The Dream
Calls For Blood», dem Überhit «Seemingly Endless Time» und dem
Abschluss-Duo «The Ultra-Violence» und «Thrown To The Wolves», begleitet
durch laute "oh-oh-ooh"-Chöre, schien die Stimmung mächtig angeheizt zu
sein. Death Angel präsentierten sich wieder mal von ihrer besten
Seite, und die Frage nach einer eigenen Headliner-Tour blieb einmal
mehr unbeantwortet. Zu gönnen wäre es dem sympathischen Fünfer. Die
Musiker nutzten ihre Spielzeit und begeisterten die Anwesenden aufs
Beste. Seien wir ehrlich, wer eine solche Vorband hat, muss sich
gehörig anstrengen, um nicht abzukacken.
Setliste:
«Humanicide», «Varacious Souls», «Claws In So Deep», «The Dream
Calls For Blood», «The Moth», «Seemingly Endless Time», «The
Ultra-Violence/Thrown The Wolves», «Rock Hard Ride Free (Outro Judas
Priest)»
Exodus Doch es sollte noch
besser kommen. Mit dem zurückgekehrten Gary Holt, der während der
letzten sechs Jahre bei Slayer spielte, trumpfte die 1981 gegründete
Exodus wieder gross auf. Gary bringt wieder dieses aggressive Element
zurück, das aber immer mit einer unglaublichen Freundlichkeit
vorgetragen wird. Über seine musikalischen Fähigkeiten müssen wir eh
keine Worte verlieren. Was er an Riffs aus seinem Instrument raus haut
und welche solistischen Ergüsse er zusammen mit Lee Altus abliefert,
suchen Ihresgleichen. Die Beiden spielten sich die Riffs zu, liessen
sich gegenseitig aber auch genügend Platz
und Freiräume bei den Solos. Mit Bassist Jack Gibson stand ein
bangendes, blondes Lockenmonster auf der Bühne, das zusammen mit
Ur-Trommler und Grimassenkünstler Tom Hunting für einen fetten
Rhythmus sorgte. Dazu sorgte der in meinem Augen nach wie vor beste
Sänger für Exodus, Steve "Zetro" Souza, der zu Beginn seiner
Karriere bei Testament sang (die damals noch Legacy hiessen), für
eine un-glaubliche Reaktion im Publikum. Zetro musste nur seinen
Zeigfinger drehen und der nächste Mosh-Pit nahm seinen Lauf. Es
war auch seine wilde, animalische und beängstigende Mimik, die sich
aber immer wieder zu einem zufriedenen und freudigen Grinsen
änderte, welches das Publikum anheizte. Mit einem sehr guten Sound
und den beiden "neuen" Tracks «Body Harvest» und «Blood In, Blood
Out» vom gleichnamigen letzten Studio-album, gings los. Dazwischen
wurde der Uralthit «Deliver Us To Evil» eingestreut, der vom
Publikum wie der kleine Tropfen Wasser in der ausgetrockneten Wüste
aufgesogen wurde. "Zurich make some fucking noise for me!", stachelte
Steve die Fans an, um anzumerken: "Monday? It feels like Friday
night, do you have fun?" Und wie die Fans diesen hatten. Denselben, der
von der Bühne kam und der dank einer sehr "oldschool-lastigen"
Setliste keine Wünsche offen liess. Drei Lieder vom Debütalbum
«Bonded By Blood» und zwei Hits von «Fabulous Disaster». Was will
man mehr? Vielleicht, dass sich Exodus endlich wieder darauf besinnen, dass
sie mit dem zweiten Werk «Pleasure Of The Flesh» einen Killer
ablieferten, der leider in den letzten Jahren kaum mehr in der
Setliste auftauchte. Dies ist aber Jammern auf sehr hohem Level.
Selbst
Lee animierte die Fans zu weiteren Mosh-Pits, der mit
«Deathamphetamine» einen Klassiker beinhaltete, der fast eine
Spielzeit von zehn Minuten hatte. Hier killten die schweren,
langsamen Parts mehr als die schnellen. Gary bangte sich die
Halswirbel steif, stand ab und zu fast bewegungslos am Bühnenrand,
um dann wie vom Blitz getroffen seine Nackenmuskulatur erneut mit
mecha-nischen, schnellen Bewegungen zu strapazieren. "35 years!
Zurich and Exodus are bonded by blood forever! It's time for a
dance! Everybody can do the toxic waltz!". Was für eine Nummer, die auch
nach 32 Jahren nichts von ihrem Charme verloren hat und dich noch immer,
gefährlich wie ein Piranha, in den Arsch beisst. Der Unterschied
zwischen einem Kreator-Gig und einem Exodus-Kommando besteht darin,
dass Mille den Spass vermissen lässt. Da klingt alles zu
gewalttätig, während bei den Amis der "good friendly violent fun"
niemals zu kurz kommt. Da werden nicht verbissen Aggressionen
hervor gerufen, sondern mit viel Spass in den Backen eine Party
gefeiert, die trotz aller Wildheit und Härte sowie immer mit Rücksicht
auf den Nebenmann oder die Nebenfrau geschaut wurde. Exodus
legten die Latte nochmals ein paar Stufen höher und hinterliessen nach
knapp einer Stunde ein völlig ausgepowertes Publikum. Dies auch dank
einer "verhaltenen" Nummer wie «Blacklist» und dem alles
niedermetzelnden Abschluss in Form von «Strike Of The Beast».
Setliste: «Zehn kleine Jägermeister (Intro Toten Hosen)»,
«Body Harvest», «Deliver Us To Evil», «Blood In, Blood Out»,
«Fabulous Disaster», «Deathamphetamine», «Blacklist», «Bonded By
Blood», «The Toxic Waltz», «Strike Of The Beast»
Testament Wie schon zwischen Death Angel und Exodus,
wurde die Bühne ab- und wieder aufgebaut für die nachfolgende Truppe. Dem
Headliner wurde mehr Platz eingeräumt, und mit einem fast
dreidimensionalen Aufbau, dank Sidedrops und laufsteg-artigen Bauten
vor dem Drumriser, bot der Headliner eine richtig fette Show. Die
1983 gegründete Truppe weiss mit den Rhythmusmaschinen Steve DiGiorgio
(Bass) und Gene Hoglan (Schlagzeug) eine Wunderwaffe in den eigenen
Reihen. Dabei reibt man sich immer wieder überrascht die
Augen, wenn man weiss, dass Gene oftmals mit einem Gehstock
unterwegs ist, hier aber mit seiner Doublebass Drum alles kurz und klein
schlägt. Eric Peterson, der Sohn einer Mexikanerin und eines
Schweden, war für die fetten Riffs zuständig. Er überliess den
Leadgitarristen-Part Alex Skolnick, der nach wie vor zu den besten
Saitenzauberern seines Faches zählt. Mit welcher Leichtigkeit er
seine von der Klassik beeinflussten Parts in die Menge schleuderte,
scheint nach wie vor nicht von dieser Welt zu sein. Es hat auch
seinen Grund, wieso die Zeit ohne ihn die sicherlich nicht
erfolgreichste von Testament war. Der grosse Zeremonienmeister
bleibt aber Chuck Billy (er spuckte noch mehr als Mark). Ein Riese von
einem Mann, der mit seiner Statur und seiner Lockenpracht
furchteinflössend bleibt. Sein kräftiger Gesang hebt Testament von
den anderen Truppen ab. Seine Lockerheit und sein freundliches
Auftreten lassen den sympathischen Indianer zusätzliche Bonuspunkte
einsammeln. Dabei spielt er immer wieder Luftgitarre mit seinem
berühmtberüchtigten, kurzen Mikrofonständer. "The fucking Bay
strikes back!". Man merkte ihm und seiner Truppe an, dass sie stolz
auf ihre Herkunft sind. Dass sie eine musikalische Welle injizierten
und dass sie trotz aller Erfolge, wie auch Exodus und Death Angel,
leider nicht zu den «Big 4» des Thrash Metals gehören. – Dieser
Thron wird von Metallica, Slayer, Anthrax und Megadeth besetzt. –
Trotzdem, ohne Testament hätte sich der Thrash Metal anders
entwickelt. Ohne «Over The Wall» (noch immer mit einem
schwindelerregenden Solo versehen!), «The Haunting» (beide vom
Debütalbum «The Legacy»), «Eerie Inhabitants», «The New Order»,
«Into The Pit», «Disciples Of The Watch» (alle von «The New Order»),
«Greenhouse Effect» und «Practice What You Preach» (beide von
«Practice What You Preach»), wäre die Musikwelt eine andere
geworden. Diese Songs waren die Umrandung einer Setliste, die sich
sehen und vor allem hören lassen konnte. Dazwischen
wurde
neueres Material wie «The Brotherhood Of The Snake», «The
Pale King» (vom letzten Studioalbum «The Brotherhood Of The Snake»),
«Darks Roots Of Earth», «Last Stand For Independence», «Throne Of
Thorns» (alle von «Dark Roots Of Earth») und «The Persecuted Won't
Forget» (von «The Formation Of Damnation») gespielt. Als Schmankerl wurde das
von Gene gewünschte, mit einer killenden Doublebass Drum ausgestattete
«Fall Of Sipledome» von «The Gathering» gezockt. Alle Tracks wurden
mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerkes gespielt.
Auf
der Bühne war der gleich grosse Spass wie im Publikum auszumachen, das
sich sogar zu einer Wall Of Death formierte. Während Exodus der
wilde ungezügelte Bolzen war, standen Testament für filigrane Technik
mit einer unglaublichen Wucht. "Hell yeah! Thank you to support
thrash bands! This is a tour with brothers. It's like a
brotherhood", liess uns Chuck wissen und ganz ehrlich, so fühlte
sich diese Konzertreise auch an. Als Dank an die Fans für all die
Jahre spielten Testament einen Song des kommenden Werkes «Titans Of
Creation». «Night Of The Witch» beinhaltet alles, was man sich von
einem Track des Fünfers erhofft und wünscht. Tolle Riffs, brachiale
Power, Tempowechsel und Breaks.
Dieser Track machte schon jetzt Laune auf das kommende Album. Eines,
das sich garantiert als weiterer Klassiker in die Historie der Bay
Area Helden einreihen wird. Diese Tour bewirkte bei den Besuchern
das Bewusstsein, dass der traditionelle Thrash Metal lebendiger denn
je ist. Dies dank drei Truppen, die sich in den letzten, fast vierzig
Jahren durch alle Stürme hindurch kämpften. Dabei dem Grunge für einen kurzen
Moment kleinbei geben mussten, aber nach einer kurzen Durststrecke
wie der Phoenix aus der Asche auferstanden sind. Death Angel wie auch Exodus und
Testament strichen bekanntlich für kurze Zeit die Segel, und alle drei Bands
verdanken es eigentlich der Krebs-erkrankung von Chuck und dem
dazugehörenden Benefiz-Konzert «Thrash Of The Titans», dass sie
sich wieder zusammenrauften und bereit waren für Neues. Es war ein
erstaunlicher Abend, dieser 24. Februar 2020, bei dem man nach jeder
Truppe dachte, besser kanns eigentlich nicht mehr werden. Aber diese Rechnung
hatte man nicht mit den nachfolgenden Combos gemacht. Es war ein
Thrashgewitter, das in der Form nicht zu toppen ist. Alleine die
fünf Killer-Kommandos als Zugabe von Testament zeigten
ein-drucksvoll, mit welchem musikalischen Geschick, feinen Melodien
und einer brachialen Härte musiziert werden kann. Danke für diese
Show, und wenn sich das nächste Mal noch Overkill, Megadeth und Evil
Dead dazu gesellen, dann spricht man nicht mehr von "The Bay Strikes
Back", sondern garantiert von "The Thrash Strikes Back"!
Setliste: «Eerie Inhabitants», «The New Order», «The
Persecuted Won't Forget», «The Haunting», «Greenhouse Effect», «Dark
Roots Of Earth», «Last Stand For Independence», «Throne Of Thorns»,
«Brotherhood Of Snake», «The Pale King», «Fall Of Sipledome» -
«Night Of The Witch», «Into The Pit», «Practice What You Preach»,
«Over The Wall», «Disciples Of The Watch»
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