Livereview: Threshold - Enochian Theory - Cryptex

09. März 2013, Aaarau - Kiff
By Liane P.
Metal Mayhem im Aargau! Das Kiff versprach mit dem gebuchten Dreier-Package einen erfüllten Samstag Abend. Da es mal wieder dunkel wie im Hintern einer Kuh gewesen ist, gibt es dieses Mal nur eine kleine Auswahl an schwarz/weiss Fotos, denn blitzen gibt es bei mir nicht. Auch wenn sich andere Leute nicht an die Vorgaben halten, richte ich mich an die Anweisungen der Veranstalter....

Cryptex

Als ich den Namen Cryptex zum ersten mal hörte, kam mir unweigerlich kompliziertes oder mathematisches Komposing à la Blotted Sience oder Animals as Leaders in den Sinn. Was für ein cooler vielversprechender Bandname, dachte ich! „Nomen es Omen“ heisst es bekanntlich, aber dies liess sich definitiv nicht auf Cryptex anwenden und von Math-Metal war auch keine Spur zu sehen bzw. zu hören - im Gegenteil! Schon beim ersten Song von Cryptex wurde man zurück ins 20. Jahrhundert katapultiert und mit leicht verdaulicher und eingängiger Musik konfrontiert. Die drei Mannen aus Niedersachsen spielten einen ungewöhnlichen Mix von Progressive-Rock, Folk, Alternative und, und, und. Vielleicht wurde der Progressive-Metal Fan, der sich ein Gitarren-Gefidel a la Petrucci und Konsorten gewöhnt ist, ein wenig enttäuscht, aber es ist ja auch nicht die Absicht von Cryptex mit musikalischer Hochakrobatik zu glänzen. Aber glänzen tun sie trotzdem, denn Cryptex tun nämlich das, was ein Konzert letztlich machen soll - Spass, Spass und nochmals Spass! Versteht mich nicht falsch, was Cryptex ablieferte war keinesfalls laienhaft. Es war vielmehr ehrliche und leidenschaftliche Musik, präsentiert von drei Musikern denen die Spielfreude förmlich ins Gesicht geschrieben stand. Musikalisch ausgesprochen vielseitig und experimentell vermochten die Deutschen das Publikum zunehmend begeistern. Unterschiedliche Instrumente bescherten den Zuhörern ein Sammelsurium von Klangwelten, wobei man auf den Einsatz von Synthesizern gänzlich verzichtete. So wechselte Sänger Simon Moskon vom E-Piano zum E-Bass spielte Mundharmonika und sang noch Textpassagen von Led Zeppelins „Whole Lotta Love“, Drummer Ramon Fleig setzte sich für einen Song auf eine Cajon und agierte als Perkussionist und Gitarrist Martin Linke bediente sich eines Xylophons und anderen Instrumenten. Cryptex haben in allen Belangen einen bleibenden Eindruck hinterlassen und wo andere nach „höher, schneller und weiter“ streben, drücken die drei Musiker aus Germanien einfach nur ab und machen das Wesentliche - gute Musik. Hut ab!

Enochian Theory
Enochian Theory gehören zu dieser Sorte Band, die nicht explosionsartig aus dem Nichts in der Prog-Szene aufgetaucht sind. Stetiges und geduldiges Arbeiten ist auch nötig angesichts der komplexen Songs und Klangbilder der drei Engländer. Schon mit dem letzte Album liessen die Briten die Szene aufhorchen und der Longplayer „Evolution: Creation Ex Nihilio“ hat durchweg gute Kritiken bekommen. Auch das neue Album „Life...and all its entails“ scheint vielversprechend zu sein. Enochian Theory spielen definitiv keinen Hauruck-Metal, den man sich zwischen zwei Bieren reinzieht. Komplizierte Songstrukturen und das Ineinandergreifen der verschiedenen Songs verlangen dem Zuhörer Konzentration ab und auch die Bereitschaft, sich mit der Band bzw. mit derer Musik auseinanderzusetzen. Die Herausforderung liegt allerdings darin, diese vielschichtige Musik auf die Bühne transportieren zu können und es gibt Gigs, wo dies schlichtweg nicht gelingt - so geschehen im Kiff am 9. März 2013 - leider bei Enochian Theory. Besucher, die sich schon mit der Band auseinandergesetzt haben, waren klar im Vorteil, denn sie wussten, dass auch wenn die drei Jungs aus England eigentlich ganz schön was auf dem Kasten haben, sie es nicht schaffen würden, die Klangvielfalt der Alben als 3er Combo live darzubieten, denn dafür wären ein zweiter Gitarrist und ein Keyboarder von Nöten gewesen und diese haben Enochian Theory nun mal nicht. Die Zauberformel heisst Samples, oder um es in den Worten der Oldies zu sagen „ab Band gespielt“. Das ist heute keine ungewöhnliche Sache mehr und der Einsatz von Samples, mit Hilfe eines Computers, ist gang und gäbe.

Und dennoch wirkt es selbst für den technisch versierten Zuhörer ein wenig befremdend, wenn Gitarrenriffs erklingen, während sich der Gitarrist gerade in der Nase bohrt, oder wenn ein Song mit opulenten fetten Klängen von Streichern ausklingt und es ist weit und breit kein Tastenmann oder eine Tastenfrau zu sehen. Nun denn, mit diesem Umstand kann ich trotzdem ganz gut leben, schliesslich zählt das klangliche Erlebnis. Wer nun glaubt, dass man klanglich mit einem magischen Zauber versehen wurde, was mit der Musik von Enochian Theory durchaus gleichzusetzen wäre, wurde meiner Meinung nach bitter enttäuscht. Die cleanen und sanften Klänge der Gitarre verschwanden im Nirvana, weil sie so leise waren, dass sie vom Husten der inzwischen gelangweilten Metal-Heads neben mir übertönt wurden. Kam dann mal eine Passage wo die Metal-typische Stromgitarre zum Einsatz kam, wurde man mit einem Inferno an undefinierbaren hohen verdichteten und kreischenden Klängen bedient, die es einem schlichtweg unmöglich machten, nur ansatzweise etwas herauszuhören. Dankbarerweise war dafür das Schlagzeug so dumpf abgemischt, dass der mich begleitende Schlagzeuger nur ein ungläubiges Kopfschütteln übrig hatte, und sich plötzlich lieber der Bar zuwandte. Der Bassist sprühte nur von Spielfreude und spielte auch viel... zumindest sah es so aus, denn der musikalische Teppich, den der Bass eigentlich legen müsste war nur schwer zu erkennen. Nur gegen Ende des Auftritts konnte die Band ein wenig Druck aufbauen und ansatzweise konnte man erkennen, dass Enochian Theory auch live etwas zu bieten hätten. Die Vermutung liegt nahe, dass es nicht an der Band lag, dass sie klanglich nicht überzeugen konnte, sondern ganz offensichtlich am Umvermögen des Mischpultbedieners, der es sogar schaffte, die gespielte Musik während den Umbaupausen beschissen klingen zu lassen. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an den Ton(un)techniker, der diese vielversprechende Band eventuell nicht mochte.

Threshold
Vorhang zu und Umbaupause (ich erinnere an den tollen Sound des Mischers während der Umbaupause – aber fairerweise muss man diesen für den guten Geschmack loben: Steven Wilson!). Eigentlich war der Auftritt von Threshold auf 22:30 Uhr vorgesehen, doch der grosse Zeiger wanderte unermüdlich weiter und Minute um Minute verstrich. Neugierige Zuschauer lugten zwischen dem Vorhang auf die Bühne und erkannten am emsigen Treiben, dass man sichtlich nervös war. Um 23:00 Uhr trat Sänger Damian Wilson vor den Vorhang und verkündete den wartenenden Zuschauern (das Kiff war gut besucht), dass man massive technische Probleme habe und es wohl noch ein wenig dauern könnte. Der sympathische Londoner, jetzt Vollbart tragend, vermochte es mit Leichtigkeit die gute Stimmung im Publikum aufrecht zu erhalten und versprach, dass man bald loslegen würde. Mit fast einer dreiviertel Stunde Verspätung starteten Threshold mit „Mission Profile“ und vermochten vom ersten Moment an, das Publikum zu begeistern. Auch klanglich wurde der Zuhörer endlich verwöhnt, vielleicht hat ja der Mischer inzwischen einen Kurs bekommen oder die Person wurde einfach ausgetauscht und entsorgt. Damian Wilson zeigte sich auffällig kommunikativ und interagierte bereits schon nach dem ersten Song mit dem Publikum. So hielt er ein erstaunlich langes Referat über Bärte (once again!) und so manch einer wunderte sich, da die Pause dann doch recht lange gewesen ist. Nun, die technischen Probleme schienen noch nicht gelöst, denn Keyboarder Richard West blickte oft angespannt auf den Laptop neben seinen Instrumenten und ein sichtlich gestresster Techniker suchte offenbar immer noch nach dem Fehler, was auch Wilsons Publikums-Interkation erklärte - er schindete Zeit, damit man Probleme lösen konnte. Zu allem Pech schien es Gitarrist Pete Morten alles andere als gut zu gehen, was ihn dennoch nicht abhielt eine solide Leistung zu zeigen. Überhaupt zeigte sich die Band hochprofessionell und spielte trotz technischer Probleme die spannende Setlist weiter. Nach dem vierten Song sah man Richard West und Drummer Johanne James deutlich an, dass aus technischer Sicht alles wieder in Ordnung war und Threshold lief zu Höchstform auf. Ein Knaller folgte dem anderen und Damian Wilson agierte nicht nur als hervorragender Sänger sondern auch als exzellenter Frontmann. So verschwand er mehr als einmal im Publikum was diesem sichtlich gut gefiel. Tolle Band, tolle Songs, begeisterte Musiker und vor allem ein begeistertes Publikum - was zum Geier will man mehr?