Livereview: Voivod - Mayfair

23. August 2016, Zürich - Dynamo Werk 21
By Natalia N.
Gegen Ende August kam sie in die Schweiz, die vielleicht eigenartigste Thrash Metal Band der Geschichte in der Stilrichtung schwerer Musik - Voivod aus Kanada. Ich will die schmerzensreiche Geschichte dieser Gruppe nicht nochmals erzählen, es ist bloss anzumerken, dass sie die Aufmerksamkeit verdient, auch um zu verstehen, wie sich die Musiker trotz allen Umständen ihrem Beruf hingeben. Unseren Lesern sei gesagt, dass es nur dieser Gruppe gelang, das Inkompatible in musikalischer Hinsicht zu vereinigen. Sie begann mit Punk-Thrash mit ihren ersten Alben, kam zu Psychedelic Techno-Thrash, der bis zum heutigen Tag einzigartig bleibt. Im Vorprogramm dieser hervorragenden Gruppe waren Mayfair aus Österreich aufgetreten, die ihre Auffassung des originalen Progressive Metal Genres präsentierten. Dies passte perfekt in den Rahmen, der von den englischen und amerikanischen Gruppen begründet wurde.


Mayfair

Der Opener begann pünktlich um 20:00 Uhr. Mayfair spielten ohne ein Intro sofort drauf los, und von den ersten Minuten des Auftritts an wurde das Publikum durch die ungewöhnliche Rhythm-Section und die Gitarren-Effekte im Hintergrund in den Bann gezogen. Der Frontmann der Band sang erst nach einer Weile, und als er dann damit anfing, wurden einige (darunter auch ich) durch den ungewöhnlichen, klaren wie emotionalen Gesangstil von Mario "le Fate" Prünster regelrecht durchgeschüttelt. Während der halben Stunde, die für den Auftakt mit dieser Gruppe vorgesehen war, überraschte Le Fate das Publikum noch einige Male. Seine vokalen Fähigkeiten sind so breit und die Vortragsweise so schauspielerisch, dass er glatt in einem Avantgarde-Theater auftreten könnte. Meiner Meinung nach ist sein Stil der Vortragsweise dem Gothic-Rock Genre etwas ähnlich. Mal stöhnte Mario hilfslos, dann brüllte er herzzerreissend in das Mikrofon, oder er sprach beinahe in das Mikrofon, indem er in Gedichtform rezitierte. Das zweite auffällige Mitglied der Gruppe „zauberte“ in der Ecke der Szenerie an seiner Gitarre. Er trat lediglich in den Socken auf (!) und bewegte sich wie ein Schatten. Nur die magischen Klänge der Gitarre erinnerten daran, dass ein Mensch dieses Instrument halten musste. Mir hat sich ein riesiges Pedal auf dem Bühnenboden vor Rene eingeprägt. Es war auffällig, dass es eine „magische“ Verbindung zwischen Rene und Le Fate offenbarte. Die Hände von Le Fate wurden manchmal zur Fortsetzung des Gitarrenhalses, er „zog“ in einer scheinbaren Erschöpfung einen traurigen Klang aus den Saiten. Mit seinen Blick, den Gesten und der Stimme zeigte Le Fate während des Konzerts den tiefen Wahnsinn eines verzweifelten Menschen. Aber sobald der Song zu Ende ging, schüttelte der Sänger die Emotionen ab und kommunizierte mit dem Publikum ganz munter und sogar fröhlich. Diese Varianz überraschte wirklich und während solcher "Erleuchtungen" sagte Mario, dass sie als Band darauf stolz seien, auf der Bühne zusammen mit Voivod aufzutreten, und warb für das neue full lenght Album «My Ghost Inside"- Ich möchte zudem anfügen, dass der Klang der Gruppe auch aufgrund der glänzenden Arbeit der Rhythm-Section für mich so prägend wurde. Obwohl sich das Publikum zuerst zurück hielt, traten viele in der Mitte des Auftritts ganz nah an die Bühne heran und unterstützten die Musiker begeistert. Mayfair verabschiedeten sich nach einer halben Stunde von ihrem offensichtlich beeindruckten Publikum und versprachen, bald wieder zurück zu kommen.

Voivod
Im Laufe von etwa einer halben Stunde bereiteten die Fachtechniker die Bühne für Voivod vor. Um 21:00 Uhr setzte sich am Drum einer der auffälligsten Mitglieder der Gruppe seit ihrer Entstehung hin - der grauhaarige Schlagzeuger Away. Dann erschien Dominic „Rocky“ Laroche, der neue Bassist auf der Bühne, der erst im Jahr 2014 zu Voivod gestossen ist. Trotzdem hat er bereits an den Aufnahmen zur neuen EP «Post Society» mitgewirkt, die in diesem Jahr erschienen ist. Schliesslich folgten fast gleichzeitig der Gitarrist Daniel „Chewy“ Mongrain, Nachfolger des verstorbenen Denis «Piggy» D'Amour und „die Seele“ der Band, der charismatische Sänger Snake. Die Musiker wollten die Zuhörer offensichtlich nicht mit einem Intro ermüden (obwohl Voivod wirklich eine Menge davon hätten) und begannen sofort mit dem tanzbaren «Ripping Headaches», einem aber nicht so etablierten Lied aus dem früheren Album «Rrröööaaarrr» (1986). Durch ihre Lust am Punk hatten sie das Publikum in der ganzen Halle sofort in Stimmung gebracht. Danach begrüsste Snake die Fans und sagte, dass sie mit dem heutigen Auftritt ein paar Überraschungen bereit halten. Es war natürlich klar, dass Snake über das neue Material sprach, das die Band mit dem Release von «Post Society» mit im Gepäck hatte. Der Titeltrack wurde dann aber erst in der Mitte des Sets vorgespielt. Der charismatische Frontermann Snake war unvergleichlich in seiner wahnwitzigen Art. Die Show, die er ablieferte, war kaum zu beschreiben - er zog verrückte Grimassen, und, wie immer, gestikulierte er wie wild. Vor allem erinnere ich mich an den Moment, als er nervös mit seinen Händen nach etwas Unsichtbarem in der Luft sowie im Takt mit der Musik griff und mit einem spöttischen Ausdruck auf seinem Gesicht herum lief! In der Pause zwischen den Songs sprach er viel, und einmal forderte er das Publikum zum Tanzen auf. Diese Idee wurde von Chewy sofort aufgegriffen, der dazu eine lustige "Samba" zu spielen begann. Das Spiel des Gitarristen Chewy verdiente eh ein besonderes Lob. Glücklicherweise fanden Voivod in seiner Person einen würdigen Ersatz für Piggy, der ja im Jahr 2005 an Krebs gestorben ist.

Allein die Auflistung aller Gruppen, in denen Chewy vorher mal gespielt hat, unterstreicht seine Reputation. Übrigens war Piggy unsichtbar beim Konzert mit dabei, da Snake die Fans vor «Psychic Vacuum» dazu aufforderte, seiner zu gedenken. „Wir erinnern uns an Piggy!“ – skandierte das Publikum, zusammen mit Snake. Ohne dies kam man sich eigentlich kein Konzert von Voivod vorstellen. Aber im Ganzen war Snake in herrlicher Stimmung, scherzte und lächelte viel. Zu Beginn knipste er Selfies mit dem Publikum, und am Ende von «We Are Connected» liess er jedem Fan in der ersten Reihe (unter anderem auch mich!) in das Mikrofon schreien. Über diesen Song, der vor drei Jahren in Zusammenarbeit mit der legendären Band At The Gates veröffentlicht wurde, sagte er, dass er allen Anwesenden gewidmet wird, weil wir alle mit einander verbunden seien. Schwer zu bestreiten! Ich möchte noch anmerken, dass ich mich sehr darüber freute, die amüsante Komposition «Kluskap O'Kom» vom letzten full lenght Album erleben zu können. Allerdings erhielt auch das klassische alte Material der Gruppe stürmischen Beifall. Es ist verständlich, dass man sich jetzt in der Phase einer kreativen Suche befindet, und das nächste Album wird die Fans bestimmt herausfordern. Und bis dahin geniessen wir das altbewährte Material, von dem es während des Konzertes mehr als genug gab. Dann war es so, dass anstatt der längsten und schwierigsten Kompositionen mehr den Thrash-Klassikern gefrönt wurde. Das war jedoch eine gute Idee, weil der Klang im Kellerraum des Dynamo nicht immer ideal ist. Zum Schluss spielten die Kanadier ihre eigene Version des Pink Floyd Klassikers «Astronomy Domine»! Vielleicht war es eine Andeutung, dass das nächste Album den „Hippiegeist“ der 70er wieder aufleben lässt, da Snake dies nämlich beiläufig erwähnte. Auf jeden Fall vermochten Voivod ihre Fans einmal mehr zu überraschen!

Setliste: «Ripping Headaches» - «Tribal Convictions» - «Overreaction» - «Kluskap O'Kom» - «Inner Combustion» - «Killing Technology» - «Post Society» - «The Prow» - «We Are Connected» - «Psychic Vacuum» - «Voivod» - «Astronomy Domine (Pink Floyd Cover)».