Obwohl die Schweiz ein Binnenland ist, bleiben auch
wir ab und an von Piraten nicht verschont. Nein, das ist
jetzt keine Metapher für geldgeile Manager oder andere
Finanzfreibeuter, gemeint sind die echten, die mit
Säbeln, Augenklappen und Holzbein. Unter der Flagge «Alestorm»
segeln derzeit vier noch junge Seebären von Schottland
aus in alle Welt, um mit ihrem Arsenal an zündenden
Songs, aufbewahrt in der Waffenkammer «Captain Morgan's
Revenge» Bühnen zu entern und in Gehörgängen zu
brandschatzen. Kaptain der Crew ist Christopher Bowes,
Wortführer und Tastenmann. Vor einigen Wochen legte das
Quartett in Pratteln an, um uns Schweizern das piratenen
Rocken zu lehren und erbeuteten dabei sicherlich den
einen oder anderen Fan. Wagemutig traute sich Metal
Factory in die Kajüte des Admiral Bowes (CB), der
bierselig Auskunft darüber gab, warum man headbangende
Piraten wurde, weswegen Schottland überbewertet wird,
wohin die nächsten Abenteuer die Korsaren bringen werden
und schliesslich warum Piraten einfach mehr Metal sind
als all die schnöden Wikinger. Aiai Käpt'n!

MF: Hey Chris! Wie fühlst du dich so auf eurer ersten
Europa-Tournee?
CB: Es ist einfach fantastisch! Wir haben eine super
Zeit und alle Bands verstehen sich untereinander. Das
einzige Problem ist, dass uns immer wieder das Bier
ausgeht. Die Veranstalter rechnen nie damit, dass 20
Typen so viel Bier vernichten können. So sind wir heute
morgen um 6 Uhr auf dem Trockenen gesessen und mussten
bis vorhin warten, um wieder trinken zu können! Wir
waren also verzweifelt, haben aber überlebt, wie du
siehst!
Gitarrist Tim Shaw ruft von hinten: Sag nicht sowas! Das
klingt, als wären wir Alkoholiker!
CB: Wir sind Alkoholiker!
MF: Ihr seid nicht Alkoholiker, ihr seid Rockmusiker!
Wie sind die anderen Bands so?
CB: Wir teilen uns den Bus mit Svartsot und Gwydion und
die Jungs sind klasse! Seit Tourstart haben wir jede
Nacht gefeiert und getrunken. Wir haben die gleiche
Einstellung! Mit Týr und Hollenthon, die im anderen Bus
fahren, quatschen wir ein wenig weniger, aber auch sie
sind super und auch mit ihnen haben wir uns schon ein
paar Mal betrunken und danach die witzigsten Gespräche
geführt! Wir schauen uns eigentlich auch immer die
anderen Bands an und singen natürlich lautstark mit.
MF: Wenn ich an Schottland denke, dann kommen mir die
Highlands, Kilts, Dudelsäcke und all der Kram in den
Sinn. Wie kommt man in einem Land, welches eine so
weltberühmte Tradition hat, auf die Idee, Piraten Metal
zu machen?
CB: Auch das ist eine Seite von Schottland. Es gibt
einige berühmte Piraten, die aus Schottland kamen. Das
waren ja nicht nur irgendwelche Südländer, sondern
oftmals Engländer oder eben auch Schotten. Captain Kid
oder so hiess einer, der besonders grausam war. Es ist
also nicht etwas völlig abwegiges, wie portugiesische
Wikinger oder so.
MF: Aber wie seid ihr auf diese Idee gekommen?
CB:
Vor fünf, sechs Jahren, als ich noch zarte 15 war,
schrieb ich meinen ersten Song «Heavy Metal Pirates» mit
ganz übel dummen Lyrics. Es war gerade der «Piraten der
Karibik»-Hype, weil der erste Teil der Filmreihe im Kino
kam und das hat mich wohl inspiriert.
MF: Ihr seid mit eurem Debüt «Captain Morgan's Revenge»
wie aus dem Nichts auf der Bildfläche des europäischen
Metals erschienen. Kannst du uns etwas über die
Vorgeschichte deiner Band erzählen?

CB: mit gruseliger Piratenmär-Stimme: Die Vorgeschichte?
Wir gründeten uns 2004, es war eine dunkle und
stürmische Nacht. Wir veranstalteten ein paar ganz
schlechte Bandproben und dann machten wir für 2 Jahre
lang nichts mehr. Dann nahmen wir einige immer noch
schlechte Demos auf und machten wieder nichts mehr, bis
wir uns irgendwann entschieden, unseren Scheiss an Labels
zu verschicken. Einfach mal, um zu schauen, was
passiert. Und dann in 2007 entschied sich ein Label
dafür, dass wir Potenzial haben und nahmen uns unter
Vertrag. Das ist die ganze Story.
MF: Für alle, die noch nicht das Glück hatten, euren
Sound zu hören: Wie muss «Scottish Pirate Metal»
überhaupt klingen?
CB: Es braucht sicher eine gute Prise Folk-Einfluss, der
Marke «What Should We Do With The Drunken Sailor» zum
Beispiel. Dann braucht es natürlich noch das klassische
Seemannsinstrument, das Akkordeon. Dazu halt eben Metal
und auch ein wenig Punk, vor allem der Attitüde wegen.
Es muss dieses Rock'n'Roll-Feeling dabei sein, dass
einem alles scheissegal ist. Piraten waren ja weniger
Menschen mit Prinzipien, als irgendwelche Typen, die
gerne soffen, fickten und töteten. Rau und wild ist
sicher eine wichtige Eigenschaft unseres Sounds.
MF: In deinen Texten singst du natürlich von grossen
Kaperfahrten, dem Bergen von Schätzen etc. Aber eben
auch über zwei Piratenthemen, die gleichzeitig 100%
Rock'n'Roll sind, nämlich Saufen und Spass mit Frauen
haben. Sind Rockmusiker die neuen Piraten?
CB: Yeah, absolut! Es gibt doch nichts anderes was auch
in Sachen Einstellung so gut zusammenpasst! Die Piraten
wollten keine bessere Welt schaffen oder irgendetwas in
der Art, sie wollten lediglich Spass haben, frei sein
und vielleicht auch berühmt. Genau das ist für mich
Rock'n'Roll. Wikinger zum Beispiel kommen mit ihrem „Hail
Odin! Hail Thor!“ und solchem Kram. Wir Piraten sagen: „Fuck
it! Kommt, lasst uns vollaufen und ein paar unschuldige
Leute massakrieren!“ Piraten sind einfach mehr
Rock'n'Roll und sowieso cooler als Wikinger!
MF: Das wäre meine nächste Frage gewesen. Ihr habt im
Sommer schon einmal in der Schweiz gespielt...
CB: Ja, an der Fiesta Pagana! Das war ein cooles
Festival. Für uns war das ziemlich speziell, denn wir
hatten damals gerade einen Ersatzdrummer, da unser
eigentlicher Schlagzeuger Ian Wilson gerade noch
irgendwo angestellt war und nicht einfach blau machen
konnte. Den Ersatzdrummer haben wir erst am Flughafen
getroffen und er kannte unsere Songs gar nicht richtig.
Am Konzert hat er uns dann alle überrascht und es
ziemlich gut hingekriegt. Es war sowieso einer unserer
besten Auftritte bisher denke ich, da wir selten so
ausgelassen auf der Bühne standen und auch die Stimmung
riesig war.
MF: An diesem Festival spielten ja auch die Spanier Mägo
De Oz...
CB: Eigentlich haben sie gar nicht gespielt, da der
Vater des Sängers am Tag zuvor gestorben ist oder so.
MF: Oh, ok... trotzdem: Mägo de Oz sind die einzige Band
neben euch, die im Moment dieses Piraten-Image pflegt.
CB: Ich hab noch keinen Ton von ihnen gehört. Ich weiss
aber, dass sie unsere südlichen Verbündeten sind. So
viel ich weiss sind sie aber ein wenig kitschiger als
wir und weniger wild.
MF: Habt ihr euch schon einmal Gedanken darüber gemacht,
dass dieses Piratenbild irgendwann limitierend wirken,
dass es eine Einschränkung werden könnte?
CB: Wir haben uns das auch schon überlegt, ja.
Vielleicht schreiben wir noch ein Album oder so und dann
haben wir keine Ideen mehr. Dann müssen wir uns wohl
ziemlich anstrengen, gute Texte zu bringen, vielleicht
ein Konzeptalbum schreiben. Oder wir machen einfach
Songs, die nicht wirklich mit Piraten zu tun haben,
sondern einfach vom Bier trinken und Leute töten
handeln, haha. Eigentlich sind wir uns schon ziemlich
sicher, dass wir ein Konzeptalbum machen werden, denn
wir sind schon am Schreiben einer Geschichte dafür. Aber
das Problem ist da, ja. Solange es Alestorm aber geben
wird, werden wir immer Piraten bleiben. Denn wenn wir
keine Piraten mehr sind, dann sind wir nur noch eine
schlechte Band, oder?
MF: Das kann man sehen wie man will, haha... Aus
Schottland kenne ich Nazareth, Stone The Crows, Franz
Ferdinand, aber das sind alles Rockbands. Gibt es neben
euch noch eine zu empfehlende Metalband aus Schottland?
CB: Ah, die sind alle langweilig. Es gibt ein paar
unsigned Bands, aber das Problem ist, dass man praktisch
nicht aus Schottland raus kommt. Man bekommt als
schottische Band kaum Aufmerksamkeit, auch nicht in
Schottland selber, sodass wenige Bands lange überleben.
Eine der Bands, die ziemlich cool sind und mit denen wir
schon zusammen gespielt haben sind Jaldaboath, die einen
witzigen Mix aus mittelalterlichem Zeug und Thrash
machen. (zu Gemüte führen könnt ihr euch das Ganze auf
www.myspace.com/jaldaboathofficial – Anm.d.Verf.) Sonst
ist aber wirklich wenig Brauchbares in Schottland zu
finden.
MF: Läuft die Metalszene in Schottland nicht so?
CB: Es ist scheisse. Auch als wir nur dort gespielt
haben, hat uns eigentlich niemand wirklich gemocht, bis
wir dann mal international berühmt wurden. Die Leute
kamen zwar zu unseren Konzerten, machten aber nicht
wirklich mit. Sie standen einfach dort. Es ist verdammt
schwierig, in Schottland was zu reissen.
MF: Wie würdest du Schottland im Allgemeinen möglichst
kurz beschreiben?
CB: Überbewertet! Schottland ist verdammt überbewertet.
Alle Kontinentaleuropäer glauben, es gäbe nur schöne
Hügellandschaften mit Schlössern und mittelalterlichen
Altstädten, wo über all Männer in Röcken rumlaufen, die
Dudelsack spielen. Aber das ist nur das Postkartenmotiv.
Tatsächlich ist es nichts anderes als Scheiss Wetter,
Kälte, hässliche Städte und triste Ödniss.

Tim Shaw wieder von hinten: ... und Buckfast.
MF: Was ist Buckfast?
CB: Das ist ekliges Zeug, ein Likörwein (tonic wine),
den alle Jugendlichen benutzen, wenn sie sich die Birne
zudröhnen wollen. Ist echt eklig.
MF: Nächstes Jahr geht ihr zusammen mit Grave Digger auf
Tour, welche ihr auch unter „Einflüsse“ auf Myspace
aufzählt. Was bedeutet euch diese Gelegenheit?
CB: Es ist natürlich grossartig! Im März waren wir ja
schon mit Turisas auf Tour, die wir auch als Einfluss
bezeichnen und es war einfach klasse. Die Leute der
Band, die du magst, persönlich kennen zu lernen ist eine
gute Sache, vorausgesetzt natürlich, sie stellen sich
nicht als Arschlöcher heraus. Das ist bis jetzt aber
glücklicherweise noch nicht geschehen. Sonst freuen wir
uns natürlich auch darauf, dass wir sicherlich Leute bei
einem solchen Konzert erreichen werden, die vorher
vielleicht weniger mit unserer Musik in Kontakt gekommen
sind, da wir ja wohl oder übel irgendwie in der ganzen
Wikinger-Szene platziert worden sind.
MF: Weswegen sollte man denn an ein Alestorm-Konzert
kommen?
CB: Ich denke einfach, es ist eine gute Stunde ,oder wie
lange wir auch spielen werden, lang Spass. Wir sind
keine ernste Band, wie es zum Beispiele eben viele
Wikinger sind. Wir machen Sound zum Biertrinken,
Mitsingen und wollen die Party, die wir auf der Bühne
haben denen davor vermitteln. Ich will uns hier nicht
als die grosse Liveüberraschung hochheben. Wir sind
einfach vier Typen, die auf Piraten machen und feiern.
Wir haben aber leider auch noch nicht die riesige Show,
obwohl sich das in der Zukunft noch ändern sollte.
MF: Was sind eure Pläne für die nähere Zukunft,
abgesehen von der Grave-Digger-Tour?
CB: Nach dieser Tour wäre der Plan eigentlich, dass wir
ein neues Album aufnehmen, aber ehrlich gesagt hab ich
noch so gut wie keinen Song geschrieben. Im Januar kommt
dann eine kleine EP raus mit Coversongs unter anderem.
Das ist etwas kleines, damit wir auf Touren bleiben und
wir nicht vergessen werden. Und dann sind wir ja eben
schon auf der Digger-Tour. (Die EP «Leviathan» steht
etwas früher als erwartet jetzt schon via Napalm Records
zum Erwerb da – Anm.d.Verf.)
MF: Was ist das für ein Cover, von welchem du gesprochen
hast?
CB: Hast du dieses Jahr den Eurovision Songcontest
geschaut?
MF: Nicht wirklich, nein. War ja keine Metalband dabei.
CB: Der lettische Beitrag dieses Jahr war eben ein
Piratensong, eigentlich Disco, aber wir haben ihn in
einen manowar-truen Heavy-Metal-Riffer mit passenden „Heyheyhey“'s
und „Heyheyho“'s verwandelt!
MF: Klingt spannend! Dann kommen wir schon zur letzten
Frage: Wo werden Alestorm und/oder du in 10 Jahren
stehen?
CB: In einer Gosse! In einer Gosse mit einer Flasche
Buckfast!
Tom Shaw meldet sich auch nochmal: Wir stehen dann aber
nicht, sondern liegen!
CB: Genau: Wir liegen in einer Gosse mit einer
halbvollen Flasche Buckfast in der Hand und denken daran
zurück, wie schön es war, als wir noch kostenlos Bier
auf Tour bekamen.
MF: Das wollen wir mal nicht hoffen. Viel Glück bei der
Show!
CB: Danke, Mann!
Kapitän Christopher Bowes mit unserem Kissi >>>
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