Harte Gitarren, lyrische Texte auf Deutsch,
energiegeladene Liveshows und fanatische Fans: Nein, es
handelt sich nicht um Rammstein, sondern um die wohl
berühmteste Band Weimars, Die Apokalyptischen Reiter.
Nach der Veröffentlichung ihres neusten Studio-Outputs "Riders
On The Storm" brannte die Band natürlich sofort darauf,
das einfallsreiche und wie immer sowohl anspruchsvolle
als auch partytaugliche Material live auf ihre
Reitermaniacs loszulassen. Und so gings los mit der "Riders
On The Storm"-Tour, deren Abschlusskonzert am 30.09. in
Bern stattfand, nachdem man schon am Vorabend den
Schweizer Fans in Winterthur ihre Sonne zeigen liess.
Mit der ganzen Band an der Berner Aare sitzend, sprach
Metalfactory mit Sänger und Gitarrist Fuchs (F) über
fehlende Privat-sphäre, nackte Männerhintern und
eigenen, kleinen Illusionen im Kopf.

MF: Nach mehrwöchigem Reisen beendet ihr heute Abend
eure Tour. Wie war es?
F: Der Wahnsinn. Sehr gut, sehr erfolgreich - Fanatische
Reaktionen oftmals... einfach unglaublich. Dabei war es
sicherlich auch ein Glücksfall, mit TYR auf Tour zu
sein, nicht nur musikalisch sondern auch im privaten
Sinne. Da sind schon kleine Freundschaften entstanden.
Vorher waren ja noch Hämatom dabei, die Finnen (Die Band
Let Me Dream wäre hier gemeint - Anm. des Verf.) sind ja
erst seit einer Woche mit von der Partie.
MF: Gab es ein spezielles Ereignis auf dieser Tour,
welches euch in Erinnerung bleiben wird?
F: Gerade gestern zum Beispiel, in Winterthur... Wir
haben ja einen Song, der heisst "Die Sonne scheint (mir
aus dem Arsch)", und da hab ich als Ansage kurz erwähnt,
dass jeder, der seine Sonne zeigen will, das jetzt tun
könne, und ja - da war die Bühne plötzlich voller
nackter Männer. Oder wir haben so ne kleine Käfigszene
während der Show, Dr. Pest (keys) spielt ja hinter
Gittern, und da gab es gestern einfach viele Mädchen,
die unbedingt freiwillig zum Doktor in den Käfig
wollten. Das war schon überraschend.
MF: Obwohl heute ja Tourende angesagt ist, werdet ihr
dieses Jahr ja schon wieder auf Tour kommen. Wie wichtig
ist diese Pause für euch zwischendrin?
F: Die ist schon sehr wichtig. Jetzt ist dann erst mal
Urlaub angesagt, wir machen die nächsten eineinhalb
Monate gar nichts. Jeder verkrümelt sich, um den Akku
wieder aufzuladen, und dann geht es wieder voller
Energie weiter.
MF: Touren heisst für dich... ?
F: Natürlich ist es auch Arbeit. Dazu gehört eine Menge
Vorbereitung, und man hofft das ganze Jahr hindurch
darauf, dass es endlich losgeht. Touren ist auch eine
sehr, sehr schöne und aufregende Zeit. Man erlebt
unglaublich viel, aber es ist halt auch anstrengend.
Privatsphäre gibt es zum Beispiel so gut wie gar keine,
ausser in seiner kleinen Bank, die jeder im Bus hat.
Diese Tour war für mich persönlich sicherlich die
leichteste und schönste Tour, die wir je gemacht haben,
was sicherlich auch an den Vorbands lag, die immer super
gearbeitet und mit uns kooperiert haben.
MF: Also ist die fehlende Privatsphäre das, was dich
am Tourleben am meisten stört, oder was würdest du am
liebsten am Touren ändern?
F: Ja, so schlimm ist das mit der Privatsphäre gar
nicht. Am meisten nervt mich eigentlich der Soundcheck.
Deswegen sieht man auch so wenig von den Orten, an
welchen man gerade ist, weil der Soundcheck verhindert,
dass man mal 5-6 Stunden Zeit am Stück hat, um auf
Erkundungstour zu gehen. Das kompensiere ich dann damit,
dass ich an Orte, welche mir während der Tour besonders
gut gefallen haben, später in den Urlaub fahre.
MF: Die Reiter und Vorbands. Wie wählt ihr diese aus
oder werden die euch vom Label oder so zugeteilt?
F: Wenn wir auf Tour gehen, dann gibt es Anfragen an
verschiedene Labels, ob die eine Band mitschicken
wollen, und dann bekommen wir Material zugeschickt,
anhand welchem wir uns dann entscheiden müssen.
MF: Gibt es eine Band, mit welcher du persönlich
unbedingt mal spielen möchtest?
F: Da gibt es Unzählige. Viele Träume haben sich aber
auch schon erfüllt. Ich erinnere mich zum Beispiel gerne
an das erste Mal mit Sodom, mit denen wir in der
Zwischenzeit schon ein paar Mal zusammen gespielt haben.
Das war sicherlich ein Highlight. Oder auch Nevermore
dieses Jahr in der Schweiz, an den Metaldayz, so Sachen
vergisst man nie.
MF: Und mit wem würdest du noch gerne?
F: (grinsend) Ja... Slayer wären schon nicht schlecht.
MF: Neues Album! "Riders On The Storm" habt ihr ja
fast vollständig in Eigenregie verfertigt, sowohl
Produktion als auch Layout und Cover.
F: Ja, das war früher auch nicht viel anders. Wir haben
halt einfach sehr gute Bedingungen zu Hause. Der Doktor
hat da sein kleines Studio, das heisst wir können
jederzeit aufnehmen. Wir machen da die Vorproduktion,
arrangieren die Songs fertig, legen fest, was auf der
Scheibe drauf sein wird und dann suchen wir uns ein
renommiertes Studio. Somit haben wir schlussendlich nur
zwei Wochen gebraucht, um das Album aufzunehmen. Auch
das Layout macht der Volk-Man (bass) eigentlich schon
immer, nur dass das Covermotiv von mir stammt ist eine
Premiere.
MF: Wie kam das? Das Bild hast du ja nicht extra
dafür gemacht.
F: Ja, das ist eine geschnitzte und dann mit
verschiedenen Lacken bearbeitete Sperrholzplatte, und
das mach ich ja schon seit Jahren. Wir haben uns dann
einfach gefragt: Warum viel Geld für einen Künstler
ausgeben, wenn man das auch selber machen kann?
MF: Wird das also in der Zukunft wieder der Fall
sein?
F: Das wissen wir noch nicht. Da gibt es noch keine
konkreten Pläne.
MF: Auffallend am Songmaterial sind dieses Mal die
häufig kritischen, politischen Aussagen, die viel
stärker im Mittelpunkt zu stehen scheinen.
F: Die gab es im Prinzip früher auch schon, wir haben
halt das erste Mal ganz konkret zu aktuellen,
politischen Themen Stellung genommen, wie in "Soldaten
dieser Erde". Früher haben wir das sicherlich eher ein
wenig verschlüsselter, versteckter oder allgemeiner
ausgedrückt.
MF: Der Song passt ja leider gerade in diesen Tagen
wieder extrem gut, da ja Deutschland die Marine in den
Libanoneinsatz geschickt hat.
F: Ja schon. Als ich den Text geschrieben hatte, fragte
ich mich, ob der Text später, wenn er veröffentlicht
werden würde, überhaupt noch immer aktuell sein würde,
aber dieses Thema ist halt immer aktuell.
MF: Beim Song "Revolution" singst du im Refrain:
"...mit kindlichem Gemüt und einer Illusion, fangen wir
jetzt an mit der Revolution". Das klingt doch ziemlich
pessimistisch, oder verstehe ich das falsch?
F: Naja... Irgendein Philosoph hat mal gesagt "Es ist
nicht wichtig, wie weit das Feuer der Wahrheit leuchtet,
nur dass es leuchtet." Und ich glaube, dass die Zeit für
die grossen Revolutionen gerade nicht da ist. So sollte
man vielleicht im Kleinen versuchen, seine eigene
Revolution durchzuführen oder seinen Kopf frei zu machen
oder mal über den Tellerrand zu schauen, dass es etwas
bringt oder dass auch andere angesteckt werden. Man kann
dann so kleine Enklaven schaffen, in seinem eigenen Kopf
oder unter Freunden, das kann man tun.
MF: Denkst du da gerade an was Bestimmtes? Was soll
durch eine Revolution verändert werden?
F: Also der Song handelt ja eigentlich von einer Person,
die sich von dieser ganzen Maschinerie einfangen lässt,
von dem gesellschaftlich vorgegebenen Weg, und fühlt
sich dabei aber unwohl. Er kommt damit nicht zurecht und
dann kommt eben die Einladung von uns: "Komm wir nehmen
uns bei der Hand, führen uns in ein neues Land".
MF: Kann man das als ein Grundthema von euch
deklarieren? Ausbrechen aus dem Alltag, der
Gesellschaft?
F: Auf jeden Fall. Der Freiheitsgedanke ist sehr
wichtig, der zieht sich durchs ganze Album hindurch. Wir
sind ja auch nicht gerade das, was von der Gesellschaft
als "normal" und "gut" angesehen wird.
MF: Welches würdest du als deine grössten Einflüsse
bezeichnen?
F: Also bei mir sind das jetzt nicht irgendwelche Bands
oder Künstler. Ich sage immer: "Das Leben schreibt die
Lieder", und so ist das einfach bei uns. Da werden Dinge
eingearbeitet, die einen bewegen, beschäftigen oder die
einem einfach über den Weg laufen, Geschichten, die man
aufschnappt, sei es durch Bekannte oder durch das
Reisen. Reisen hat ja auch wieder mit Ausbrechen zu tun.
Was die Musik anbelangt... Wir mögen einfach harte
Musik. Als Kind oder Jugendlicher hat man da sicherlich
seine Faves oder hat sie auch heute noch, aber die
beeinflussen nur unterbewusst. Es ist ha nicht so, dass
man bei uns gleich heraushört, wem wir nacheifern oder
so.
MF: Ihr seid ja berühmt dafür, dass ihr sowohl
deutsche als auch englische Texte verwendet, beim Song
"Seemann" kommt da auch noch gleich Französisch hinzu.
Wie kam das?

F: Da stand der Gedanke im Vordergrund, dass wir mit
mehreren Sprachen den Inhalt des Songs noch stärker
betonen können um dem Ganzen mehr Internationalität zu
geben. Der Seemann schippert da ja nicht nur den Rhein
hinauf und hinunter, sondern kommt in der ganzen Welt
herum mit seinem Schiff. Deswegen hatte wir zuerst auch
vor, noch eine japanische Strophe einzubauen, was den
Song dann aber ein bisschen gesprengt hätte, das wäre
dann wieder zu viel des Guten gewesen.
MF: Wie arbeitest du während der Textphase? Ist die
Melodie schon da und dann entscheidest du dich, ob du
auf Englisch oder Deutsch singen willst, oder ist das
eine ganz spontane, willkürliche Sache?
F: Das ist sehr unterschiedlich und hat sich in all den
Jahren auch verändert, da der Text bei uns immer mehr
Wichtigkeit bekommen hat als früher. Da war es dann noch
einfacher, denn ich denke, ein Riff zu schreiben
passiert schneller als einen Text. Im Idealfall ist es
so, dass der Text zuerst da ist und dann die Musik dazu
geschrieben wird. Meistens steht aber der musikalische
Teil schon fast vollständig, und wenn dann der Text
dazukommt, wird noch angepasst und umarrangiert.
MF: Wie entscheidest du, ob du einen englischen oder
deutschen Text schreibst?
F: Das ist Gefühlssache. Dabei kommt es wohl auch auf
den Inhalt drauf an, der mir im Kopf schwebt. Ob es ein
leichteres Thema ist, wo mein ein paar einfache
Schlagwörter verwenden kann wie "We will never Die" zum
Beispiel oder ob es eben etwas tiefgründiger wird, da
eignet sich das Deutsch schon besser.
MF: Gehst du dann auch anders an die Sachen ran?
F: Natürlich kann man sich in seiner Muttersprache
besser ausdrücken, dafür stell ich mir, wenn ich auf
Deutsch schreibe, auch einen höheren, lyrischen Anspruch
an mich selber. Im Englischen schraub ich diese
Erwartungen an mich ein wenig tiefer und besinge
leichtere Dinge.
MF: Die Reiter sind doch in erster Linie bekannt als
energiegeladene Liveband. Warum habt ihr dann noch nie
ein solches Konzert auf eine Scheibe gebrannt?
F: Unsere Shows sind eben zu einem grossen Teil eine
visuelle Sache, da würde bei einer Live-CD schon ein
grosser Teil dieser Energie verloren gehen. Und als
Bonus bei der "Friede sei mit dir"-DVD-Single ist ja die
Show vom Summerbreeze 2005 komplett mit drauf. Dennoch
wird unser nächstes Projekt wahrscheinlich eine DVD
werden, und dazu wird dann auch eine Live-CD
veröffentlicht werden. Dies wird alles in einer
Spezialshow aufgenommen werden, damit sowohl Ton als
auch Licht optimal zur Geltung gebracht werden kann und
wir erst noch eine üppigere Bühnenshow auffahren können.
MF: Kannst du schnell zusammenfassen, welche Pläne
ihr für das kommende Jahr schmiedet?
F: Erst mal Ferien, dann dieses Jahr noch mal Tour, dann
kommt die DVD und danach reisen wir dann hoffentlich
wieder durch das Land, worauf dann wohl schon bald
wieder die Songwritingphase beginnen soll.
MF: Zweitletzte, bei mir obligate Frage: Wo hoffst
du, dass die Reiter in 5 oder 10 Jahren stehen?
F: Ich hoffe einfach, dass der eingeschlagene Weg genau
so weiter geht und dass es nicht abreisst. Es ist
einfach ein Traum, der in Erfüllung geht und sich jetzt
so stark weiterentwickelt hat, wie wir es früher nie zu
hoffen gewagt hätten. Das soll uns einfach erhalten
bleiben. Da immer viele Leute zu unseren Konzerten
kommen, müssen wir, glaube ich, nicht wirklich Angst
darum haben.
MF: And the last question: Was fällt dir spontan zur
Schweiz ein?
F: Wald, Wasser, Berge: wunderschöne Natur im
Allgemeinen. Freundliche Menschen und eine sehr
angenehme Atmosphäre. Die Schweiz ist auch ein ziemlich
reiches Land... und sehr neutral.
MF: Da würden sich hier wohl einige Leute darüber
streiten. Danke für das Interview und viel Spass bei
eurer Abschlussshow.
Nachdem das Diktiergerät dann abgeschaltet war, zeigte
Basser Volk-Man plötzliches ein reges Interesse an der
Schweizer Politik, was dazu führte, dass ich dazu
gezwungen wurde, einen Crashkurs in Sachen
CH-Staatswesen zu unterrichten, was wohl eher für
Verwirrung als Aufklärung sorgte obwohl man die
schweizerische Konkordanz-Regierung für äusserst
vorbildlich befand.
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