Slayer stehen für Thrash, Cannibal Corpse, das ist
Death und Manowar sind sowieso truer als True Metal. Und
welche Band darf sich vor allen anderen mit der
Bezeichnung Doom schmücken? Genau: Candlemass! Zwar nie
diese Massen erreicht wie die anderen genannten Genres,
hat die Zeitlupen-Spielart der harten Gitarren-Musik
über Jahrzehnte hinweg eine treue Anhängerschaft
mobilisiert. 20 Jahre sind seit der Gründungszeit von
Candlemass nun in die Lande gezogen und mit dem im
Sommer erschienenen Album "King of the Grey Island"
zeigten die Mannen um Mastermind Leif Edling, wer nach
wie vor die Herrscher des Slow-Motion-Sounds sind. Neu
mit an Bord, als Nachfolger des nun endgültig in die
Wüste geschickten Kuttenträger Messiah Marcolin, ist
dabei Robert Lowe, bis anhin bekannt als die Stimme der Texas-Doomer Solitude Aeternus. Um das neue
Gesangswunder nicht nur auf Konserve den Fans bekannt zu
machen, ging es diesen Herbst natürlich auf ausgiebige
Konzertreise, welche Candlemass dankbarer Weise auch ins
Z7 in Pratteln führte. Nur logisch, dass MF sich eine
solche Gelegenheit nicht entgehen liess und die beiden
Doom-Helden Edling (LE) und Lowe (RL) mit Fragen nur so
bombardierte. Produkt dieses Frage-Antwort-Spiels? Leif
lässt kein gutes Haar an Ex-Fronter Messiah, erörtert
seine Meinung über die Menschheit und schwärmt im Dialog
mit Rob über die Stimmung in der Band und die
vielversprechende Zukunft von Candlemass inklusive
spanischem Weinkeller und einer Übernahme Schwedens.
LE: Sorry für die Verspätung! Wir sassen gerade zwei
Stunden im Bus und haben das endlich zusammen
geschnittene Material von unserem Jubiläums-Gig
angeschaut. Das mussten wir heute noch machen, da wir es
so schnell wie möglich absegnen müssen, damit es dann
mal weiter mit der Produktion gehen kann.
MF: Und? Wie sind die ersten Eindrücke?
LE: Nicht schlecht, nicht schlecht. Es ist auf ne Art
ziemlich low-budget da letzten Endes eine der Kameras
ausgestiegen ist und dann auch noch die
Recording-Hard-Disk - das musste ja so kommen - und so
musste alles Material ziemlich sorgfältig
zusammengebastelt werden. So mussten wir zeitweise auf
Kamera-Mikrophone ausweichen und das der Typ, der das
Mastering übernahm arbeitete etwa 5 Tage und Nächte
ununterbrochen daran, während wir für das Schneiden etc.
sicher 2 Monate an Zeit investierten. Aber jetzt
überzeugt es mich ziemlich: Alles ist nun sehr direkt
und ehrlich, ohne grossen Schnickschnack eben.
MF: Da kann man sich als Fan ja auf die
Veröffentlichung freuen...
LE: Absolut! Viele Leute haben uns, z.T. schon am Abend
des Konzertes, darauf angesprochen und gefragt, ob es
eine DVD davon geben würde - wir müssten dies doch
unbedingt tun.
MF: Dieser Auftritt war ja auch das Debüt mit dir,
Rob; wie sind so die ersten Tour-Eindrücke mit diesem
neuen Line-up?
LE: Es läuft sehr, sehr gut! Wir haben nun schon über
ein Dutzend Shows zusammen gespielt und davon war noch
keine einzige schlecht. Die Leute mögen die neue Show
wirklich, so klingen auf jeden Fall die Statements, die
ich bis jetzt bekommen habe. Sie mögen die neuen Songs
und es kommen vor allem überraschend viele jeden Abend.
Es scheint also, als würden die Leute wirklich auf
unsere neue Scheibe stehen. Und Rob macht einen
fantastischen Job, da gibt’s auch überhaupt nichts zu
meckern. Überrascht war ich vor allem gestern, wenn wie
schon auf der letzten Tour - zusammen mit Destruction -
spielten wir am Abend vor dem Z7-Gig in Antwerpen. Vor
zwei Jahren war dies der schlechteste Gig der ganzen
Tour überhaupt und dieses Mal war es so viel besser...
Endlich konnten wir da auch wieder einmal eine gute Show
hinlegen. Also keine Gründe zu Klagen bis jetzt.
MF: Aber auch 2005, auf der schon erwähnten Tour mit
Destruction, seid ihr als klare Sieger hervorgegangen.
Jedenfalls leerte sich die Halle merklich, nachdem ihr
aufgetreten wart.
LE: Aber es war einfach eine ziemlich üble Bandmischung.
Candlemass-Fans mögen Destruction nicht wirklich und
umgekehrt können die Thrash-Fans von Destruction unserem
Sound nicht wirklich viel abgewinnen.
MF: Naja... Ich fand die Kombination noch
unterhaltsam... da konnte man auf völlig
unterschiedliche Weise an einem Abend bangen.
LE: Ok, das ist wahr. Aber du musst zugeben, dass die
Mehrheit der Doom-Fans an Up-Tempo Thrash nicht viel
findet und die Thrasher hingegen finden unseren Sound
einschläfernd und langsam. Es gibt vielleicht Ausnahmen,
aber oftmals ist es eben so. Natürlich ist so etwas auch
eine Chance, neue Leute zu erreichen, aber die
Unterschiede waren wohl doch etwas zu gross.
MF: Jetzt mal konkret Leif: Welches sind die grössten
Unterschiede zwischen Konzerte geben mit Messiah oder
jetzt eben mit Rob?
LE: Zuerst muss ich sagen, dass alle Unterschiede, und
von denen gibt es einige, sehr positive Unterschiede
sind. Der wohl für die Band spürbarste ist, dass wir nun
endlich hören können, was wir spielen. Glaub mir, das
ist verdammt hilfreich! Endlich wissen wir mal, wie wir
so klingen, hahaha... Aber ehrlich: Wenn wir mit Messiah
auftraten, dann beschlagnahmte er zuerst mal so gut wie
alle Monitore, die Seitenboxen waren auf ihn
ausgerichtet und sogar die Hochtöner übertrugen im
Grunde nichts anderes als die Vocals. So wurden wir
während 90 Minuten jeden Abend einzig alleine von
Messiahs Stimme voll gedröhnt. Und nun haben wir
meistens einen ausgewogenen Sound auf der Bühne und
können uns so auch gelassener auf die Show
konzentrieren.
RL: Das ist auch genau das, was ich will. Damit ich
richtig singen kann, muss ich auch die anderen hören...
ist ja logisch. Klar nützt es, wenn ich mich gut höre.
Aber wir sind es ja den Fans schuldig, dass wir gut
zusammen spielen und da ist es sicherlich nicht
dienlich, wenn alleine die Vocals hörbar sind.
LE: Das zeigt auch eine weitere Veränderung: Mit Rob ist
endlich wieder ein gesundes Teamwork in die Band
zurückgekehrt. Das wirkt sich dann eben auch positiv auf
das Bandklima aus und tut jedem gut. Anstelle eines
Clowns in Mönchskutte der im Vordergrund steht, tritt
Candlemass nun als einheitliche Band auf. Mit Rob ist es
uns nun auch möglich mehr Leute zu erreichen und von uns
zu überzeugen, denn ich habe oftmals gehört, dass sich
Leute über Messiahs Gehabe aufregten. Ich sage absolut
nichts gegen seine Gesangsleistung, an der war nie etwas
auszusetzen, aber mit Rob wirken wir homogener,
zugänglicher. Mit Messiah polarisierte die Candlemass:
Entweder man fand uns super oder man konnte uns nicht
ausstehen. Mit Robert klingen wir nun immer noch nach Candlemass, vielleicht noch ehrlicher als irgendwann,
und dennoch sind wir zugänglicher und ansprechender.
Die Fans sind ja auch nicht blöde! Und über die
Konzerte, die wir nun schon in dieser neuen Version von
Candlemass absolviert haben, habe ich nur gute Kritik
entgegen nehmen können. Viele sagen, dass Candlemass
besser denn je klingt und wenn wir dafür einen gewissen
Show-Faktor einbüssen müssen, dann ist mir das ohne
Frage wert.
MF: Das Songwritting zu eurer aktuellen Scheibe,
"King of the Grey Island", war ja schon beendet als ihr
Messiah raus warft. Rob, wie kamst du genau zu
Candlemass?
RL: Meine Freundin sagte mir, dass sie einen neuen
Sänger suchen würden. Bevor sie mir das aber erzählte,
rief sie bei Leif an und der telefonierte dann mit
mir... ging eigentlich ziemlich unspektakulär von
statten.
LE: Rob war ja auch kein Unbekannter für uns. Natürlich
kennen wir Solitude Aeternus schon seit Jahren. Wir
haben in den Staaten auch schon das eine oder andere Mal
zusammen getourt. Schlussendlich war es auch nichts
Überraschendes sondern eher eine fast logische Sache.
RL. Ja genau... es war fast wie Schicksal, irgendwie
gespenstisch. Die Fans haben schon, bevor wir überhaupt
mit einander in Kontakt traten darüber diskutiert, ob
ich der neue Sänger werden würde. Und wenn wir
realistisch sind, ist es doch auch so, dass die
Hardcore-Candlemass-Fans auch Solitude Aeternus kennen
und hören und umgekehrt...
MF: Habt ihr in dieser Zeit mit dem Gedanken gespielt
Johan Langqvist anzufragen, die Stimme von eurem Debüt "Epicus
Doomicus Metallicus"?
LE: Nein, niemals!
MF: Und warum nicht?
LE: Johan ist, wie du richtig gesagt hast, die Stimme
von "Epicus..." und das soll auch so bleiben. Dazu ist
er kein Metal-Mensch. Er hat absolut Talent und hätte
"King of the Grey Island" sicherlich fantastisch
eingesungen, aber das mit Johan ist vorbei.
MF: Der wohl zeitlich grösste Teil eures Sets zur
Band-Geburtstags-Party habt ihr aber mit Langqvist
absolviert...
LE: Ja schon, aber da haben wir, als speziellen Event
zum Jubiläum, auch das ganze "Epicus Doomicus
Metallicus"-Album durchgezockt. Aber wie schon gesagt:
Johan ist nicht Metal! Candlemass aber braucht jemanden,
der auch auf der Bühne und überhaupt das verkörpert, was
Candlemass ist. Doom, Metal, Dunkelheit... dafür ist
Rob, abgesehen mal von der perfekt passenden Stimme, die
optimale Wahl. Sie dir den Typen doch mal an: Sitzt hier
in einem Maiden-Shirt, läuft mit permanent schwarz
lackierten Fingernägeln herum und hat, wenn auch etwas
schütter, lange Metal-Haare... hahaha
RL: Hey! Keine Witze über meine Haare, das macht einem
echt zu schaffen, hahaha...
MF: Candlemass und Solitude Aeternus sind ja
unbestreitbar zwei der, wenn nicht sogar die momentan
grössten und berühmtesten Doom-Metal-Bands überhaupt.
Hattet ihr da nie Angst, Candlemass würde nun zu fest
nach Solitude Aeternus klingen, dass man die beiden
Bands nicht mehr auseinanderhalten können würde?
LE: Nein, nein... schaden tut diese Verbindung keinem.
Im Gegenteil! Ich bin der Überzeugung, dass beide Bands
davon nur profitieren können. Für uns ergibt sich nun
sicherlich die Chance, unseren Bekanntheitsgrad in
Amerika enorm zu steigern. Dagegen ist es für Solitude
Aeternus kostenlose Werbung in Europa, da nun in jedem
Artikel etc. über oder mit uns auch Solitude Aeternus
erwähnt wird und ich bin mir sicher, dass sich nur schon
allein aus dem Grund, dass sie Robs Stimme auf unserem
Album mögen, Solitude-Aeternus-Scheiben zugelegt haben.
Dazu würde mir auch nie im Traum einfallen, Rob
irgendwie zu zwingen, Solitude Aeternus zu
vernachlässigen oder gar bei ihnen auszusteigen.
RL: Was ich auch niemals tun würde! Aber das ist auch
kein Problem, denn bekanntlich ist Solitude Aeernus
nicht gerade die aktivste Band auf diesem Planet und
touren ist bei uns sowieso eher die Ausnahme. Somit
geniesse ich es wirklich, dass ich mit Candlemass so
viele Konzerte spielen kann, obwohl meine Stimme sich
daran erst gewöhnen muss.
LE: Und was das ähnlich klingen betrifft, da mach ich
mir auch keine Sorgen. Klar, beide Bands spielen Doom
Metal, aber Solitude Aeternus und Candlemass klingen
überhaupt nicht gleich. Auch Rob singt bei uns ein wenig
anders als bei Solitude, da nur schon das Material
anderen Gesang vorgibt. Candlemass ist natürlich von
meinen Einflüssen geprägt, von meinem Hang zu Sabbath zu
Ozzy-Zeiten Harmonien und meinem generellen Fanatismus
für diese Band, während Solitude in einer ganz anderen
Weise an die Sache herangehen.
RL: Da stimme ich vollkommen zu! Man muss sich nur mal
die aktuellen Scheiben beider Bands anhören, die ja
beide noch ziemlich jung sind. Solitude's "Alone" und
Candlemass' "King of the Grey Island": Jedes steht für
sich selbst und trotz dem Umstand, dass es das selbe
Genre ist, klingen die beiden Scheiben deutlich
unterschiedlich.
LE: Wenn jemand nun das Ganze, was weiss ich, als
Candlemass Aeternus oder so bezeichnen würde, und ich
bin mir sicher, irgendjemand macht das, dann hat dieser
jemand einfach ein Problem mit seinen Ohren oder ist
komplett taub, denn das stimmt einfach nicht.
RL: Und gerade wenn man Doom-Metal-Fan ist, sollte es
einem wirklich nicht schwer fallen, die Unterschiede zu
bemerken und ohne Weiteres zwischen Candlemass und
Solitude Aeternus unterscheiden zu können.
MF: Rob: Wo siehst du die Unterschiede im Spielen
zusammen mit Solitude und Candlemass?
RL: Das sind einfach Welten! Nur schon die ganze
Grundstimmung, der Vibe ist einfach anders. Die Jungs
von Solitude kenn ich schon seit Ewigkeiten, ich bin
praktisch mit ihnen aufgewachsen und uns gibt es ja auch
schon seit ungefähr 2000 Jahren... Es ist immer anders.
wenn du mit anderen Menschen auf der Bühne stehst. Nur
schon, wenn zum Beispiel der Bassist oder ein Gitarrist
oder wer auch immer, wenn nur schon ein Bandmitglied
ausgewechselt wird, fühlt sich alles komplett anders an.
Und wie schon erwähnt, ist es ein anderer Sound und in
Europa zu spielen, was bei Solitude auch nicht gerade
oft der Fall ist, fühlt sich anders an...
MF: Leif, hast du darüber nachgedacht Candlemass
aufzulösen, nachdem ihr euch wieder einmal von Messiah
getrennt habt?
LE: Eigentlich nicht. Ich wollte es nicht. Es war mir
zwar bewusst, dass es eine Möglichkeit und eine nicht
gerade gewollte Lösung sein würde, aber meine Absicht
war es zu keinem Zeitpunkt. Nach dem ganzen Chaos mit
Messiah sassen wir aber schon ziemlich tief in der
Scheisse. Das Album war bis auf die Gesangsspuren ja
fertig aufgenommen, aber zeitweise sah es nicht wirklich
so aus, als könnten wir die Scheibe rausbringen, obwohl
wir ja durch den Vertrag mit Nuclear Blast rechtlich
daran gebunden waren. Aber in erster Linie suchte ich
nach Wegen, die Band aufrecht zu erhalten. Meine
Meinung, und die teilt der Rest der Band übrigens, war
immer, dass Candlemass grösser und mächtiger sind als
Messiah und wie die Reaktionen zeigen, sind auch die
Fans dieser Meinung. Der einzige, der das nie glaubte,
war oder ist Messiah selbst. Und genau das war auch das
Problem mit ihm: Für mich ist ein Bandmitglied nicht
grösser als die Band als Kollektiv, während Messiah
dachte, er selbst wäre Candlemass, nur er wäre
verantwortlich für unseren Erfolg und ohne ihn würde
nichts laufen.

Wenn ich mir zum Beispiel zwei Tage vor der Tour die
Hand brechen würde, dann würde ich sofort nach einem
Ersatz für mich selber suchen und die Jungs dazu
drängen, ohne mich zu spielen. Auch ich bin nicht
wichtiger als Candlemass, ganz egal, ob ich nun die
Songs schreibe oder nicht. Klar, die Rechte sind bei
mir, aber so lange es die Band gibt, geht es alleine um
die Band und nicht um den Erfolg des Einzelnen. Und wenn
man sich, wie Messiah, nicht in dieses Team einordnen
kann, dann eben "byebye"!
MF: Sprechen wir noch etwas detaillierter über "King
of the Grey Island": Wie würdet ihr die Scheibe in einem
Satz beschreiben?
LE: Es ist, und ich weiss, dass das so einige Bands von
ihren neuen Scheiben behaupten, aber ich bin völlig
überzeugt davon, die düsterste, epischste, komplexeste
und vielleicht auch beste Scheibe, die Candlemass je
gemacht hat.
RL: Ich vergleiche sie jetzt nicht mit den alten
Candlemass-Scheiben, aber die selben Adjektive würde
auch verwenden.
MF: Dann geht die nächste Frage also nur an Leif: Mit
welcher anderen Candlemass-Scheibe am ehesten
vergleichen?
LE: Mit keiner! "King of the Grey Island" ist anders als
die anderen. Nach den ganzen Querelen mit Messiah etc.
stellt die "King"-Scheibe einen Aufbruch in eine neue
Candlemass-Ära dar. Es klingt, nur schon durch die
einzigartige Leistung von Rob, wie kein anderes
Candlemass-Album. Gerade vom Vorgänger, der weissen "Candlemass"-Scheibe,
unterscheidet es sich gewaltig.
MF: Du selbst hast die beiden Scheiben ja auch
kontrastierend als das "weisse" und das "schwarze" Album
betitelt.
LE: Die letzte Scheibe von 2005 entstand nach all den
Reunion-Shows mit Messiah. Alle hatten wieder Feuer
gefangen, an den Konzerten wurde so euphorisch gefeiert
und obwohl Messiah damals schon wieder anfing Probleme
zu machen, waren wir in einer sehr positiven Stimmung,
was sich auch auf das Material auswirkte. Während den
Aufnahmen zu "King of the Grey Island" jedoch war die
Stimmung ziemlich negativ und düster und das hört man
auch. Dabei lässt sich aber auch musikalisch eine
Entwicklung ausmachen, da wir jetzt noch tiefgründiger
und ausgearbeiteter klingen. Evolution Doom sozusagen,
hahaha...
MF: Ist "King of the Grey Island" also nur so düster
geworden, weil dich das Ganze mit Messiah so gestresst
hat?
LE: Nicht gestresst, verzweifelt war ich. Ich denke
schon, dass sich das darauf ausgewirkt hat, aber ich
wollte auch absichtlich solches Material machen. Es
sollte auch als Kontrast zum vorherigen Album wirken,
dass mit Nummern wie "Black Dwarf" ziemlich straight
daherkam und einfach rockte. Dabei muss man auch die
Realität berücksichtigen: Wir leben in einer
Scheiss-Welt! Heutzutage geschieht so viel Mist und die
Stimmung auf diesem Planeten ist angespannt und das
wollte ich in unserer Musik widerspiegeln. Das Leben der
Mehrheit wird beherrscht von Leistungsdruck, Druck durch
die Gesellschaft, von Erwartungen die man von anderen
auferlegt bekommt. Persönlich machte ich die Scheisse
mit Messiah durch, aber das ist nur ein einziges
Beispiel, wie diese Welt heute aussieht und wie sich
viele Menschen zu einander verhalten.
MF: Auf "King of the Grey Island" ist ein prägnanter
Satz zu finden: "fuck the human race" (frei übersetzt:
"scheiss Menschheit").
LE: Wie ich schon sagte. Die Welt ist scheisse. Die
Leute respektieren sich nicht mehr gegenseitig. So viele
Menschen scheren sich einen Dreck um ihr Umfeld, um die
Person nebenan. Die Welt wird von so vielen Idioten und
Einzelkämpfern bevölkert, die sich alle nur um ihren
ganz eigenen Ego-Trip kümmern, nur ihrer Karriere und
dem Geld nachjagen, ohne dabei auf die anderen zu
achten. Gerade in Städten: Ob du jetzt nach New York,
London, Berlin oder Hamburg gehst, jeder lebt für sich
alleine, schaut stur geradeaus, nicht rechts oder links
und setzt seinen Ellbogen ohne Rücksicht auf Verluste
ein, um möglichst gut dazustehen. Einzig um zu schauen,
ob man mehr hat oder mehr verdient als der Andere
schauen sie mal auf die Person neben sich. So viele
Leute, nicht alle natürlich, sind so. Und "King of the
Grey Island" ist ein fettes "Fuck you" an diese Art von
Menschen.
MF: Wer ist dieser König, "the King of the grey
Island"?
LE: Es ist jeder. Ich bin es, du bist es oder Robert ist
es, einfach jeder. Jeder hat dunkle Stunden,
verschissene Tage oder Wochen. Und wenn du dich in
diesen Momenten scheisse fühlst, gehst du auf deine ganz
eigene graue Insel, wo dich alles nichts angeht und wo
du machen und denken kannst, was du willst. Und ich
würde um eine Million Euro mit dir wetten, dass auch der
glücklichste Mensch auf dieser Erde seine schlechten
Tage hat und sich wünscht irgendwo anders zu sein. Der
Titel ist ein Bild dafür, wie wir uns eben manchmal
fühlen und was wir dann wollen, wo uns unsere Wünsche,
unsere Phantasie dann hinführt.
MF: Was bedeutet Doom Metal für euch beide?
LE: Alleine, langsam, hart und depressiv.
RL: Ich würde dem noch Gefühle hinzu fügen. Doom ist für
mich Ausdruck von sehr starken, vielleicht den
stärksten, wenn auch nicht geliebten Gefühlen. Es geht
um Intensität, um die Gewalt, mit welcher du von
Gefühlen übermannt werden kannst, welche halt oftmals
eher düster als fröhlich und aufmunternd sind.
LE: Ich denke, der Grossteil der Doom-Bands würden das
sagen, aber viele davon machen das nicht wirklich. Wir
versuchen es zumindest mit Candlemass und ich bin
überzeugt, dass uns das auch oftmals gelingt. Die
meisten Bands, die "doom" sein wollen übertreiben all
diese Dinge. Langsam wir dann zu "überlangsam" (O-Ton: "über-slow",
Anm. d. Verf.), düster wird zu superdüster und depressiv
wird so weinerlich, dass man den Mitgliedern solcher
Bands am liebsten eine Rasierklinge in die Hand drücken
würde, oder legaler, sie in eine Anstalt einweisen
möchte. Candlemass sind und bleiben dabei aber Metal.
Wir hatten immer einen Metal-Background, Doom-Metal ist
ja durch Black Sabbath eigentlich auch die erste
Spielart des Metals. Für die ganzen "truen" Doom-Bands
sind wir dann auch schon fast wieder zu schnell.
Deswegen nenn ich unseren Sound ja auch "Epic Doom
Metal", da ist alles drin enthalten, was wir machen
wollen.
RL: Das mit dem Tempo wird dabei wirklich überbewertet.
Schau dir die alten Black Sabbath Nummern an, so gut wie
kein Song bleibt ewig langsam, sondern hat mindestens
ein schnelles Break. Bands, die 10 Minuten lang immer
und immer wieder das selbe Riff spielen und das so
langsam, dass es nicht einmal mehr möglich ist, dazu zu
klatschen, solche Bands sind doch nichts anderes als
langweilig.
MF: Wie wichtig ist der Inhalt der Lyrics bei
Candlemass?
LE: Naja... ich würde sagen eher zweitrangig. Natürlich
will ich nicht irgendwelchen Quatsch erfinden, der
keinen Sinn macht und dazu noch schlecht klingt. Aber
ich brüte jetzt defintiv nicht Tag und Nacht an einem
Songtext. Wenn ich ein Thema habe, das mir gefällt, dann
versuche ich es zu formulieren, so dass es gut zu singen
ist und vor allem, dass es zur Musik passt. Dabei werden
die Lyrics auch voll und ganz von der Gesangsmelodie
gesteuert, die wiederum von der Musik beherrscht wird.
Also eher dritt- als zweitrangig. Der Song an sich ist
das wichtigste und der hängt von der Musik, vom Riff ab.
Ich behaupte, dass 90%, wenn nicht noch mehr, der Songs,
welche ich als klasse bezeichnen würde, durch ein gutes
Riff entstanden und der Text das allerletzte war, worum
man sich Gedanken gemacht hat. Nur schon der Begriff
Musik impliziert diese Reihenfolge ja. Wem der Text
wichtiger ist als die Musik, der soll Poet werden oder
Liedermacher, aber kein Rockmusiker. Ich meine damit
nicht, dass ich ausgefeilte Texte nicht schätzen würde,
aber sie sind viel weniger wichtig als die Musik.
MF: Schauen wir nun noch ein wenig in die Zukunft von
Candlemass: Was macht Candlemass in der näheren Zukunft?
Wie sehen die Pläne fürs nächste Jahr aus?
LE: Ich bin sicher, wir werden nächstes Jahr ein neues
Album machen. Zuerst wird aber bis Mitte Dezember noch
in Europa getourt glaube ich, dann geht es im Januar in
die USA, um dort Fuss zu fassen. Die ganze Tour dauert,
wenn ichs richtig im Kopf habe, bis etwa April oder so.
Robert wird danach aber wieder mit Solitude Aeternus
arbeiten, da sie im Frühling mit den Aufnahmen zu ihrer
neuen Scheibe beginnen möchten. Also wird es wohl Anfang
Herbst werden, bis wir wirklich mit unserem neuen Album
beginnen können. Ich kann es kaum erwarten, wiede Zeit
zu haben, den ganzen Tag an neuen Songs zu arbeiten. Ich
hab schon wieder so viele Idden, es ist unglaublich.
RL: Wir müssen dann unbedingt wieder mal eine
Zeitplan-Sitzung machen Leif, ich weiss selber nicht
mehr, wann ich was machen werde, hahaha...
LE: Ich will unbedingt eine neue Scheibe machen, denn
was wir jetzt gemacht haben ist nur der Anfang. Wir
haben eine gute Scheibe veröffentlicht, aber ich bin
fest davon überzeugt, dass wir es noch besser machen
können.
RL: Das Gefühl habe ich auch: Ich denke, wir haben mit
"King of the Grey Island" das Fundament für eine
wachsende Zukunft gelegt.
LE: Ich bin auch der Meinung, dass es nötig ist, so
schnell wie möglich, ohne sich dabei stressen zu lassen,
ein neues Album auf den Markt zu bringen. Im Moment
präsentieren wir Rob dem europäischen Publikum und
danach Robert und vor allem Candlemass den
amerikanischen Leuten und mit solch positiven
Rückmeldungen, wie wir sie momentan erhalten müssen wir
einfach zügig weitermachen! Jetzt ist der Augenblick da,
an welchem Candlemass die Chance hat, mehrere Gänge
raufzuschalten und auf ein anderes, höheres Level zu
kommen. Mit Messiah waren wir über lange Zeit auf der
selben Stufe festgefahren und entwickelten uns einfach
nicht weiter. Es wäre dumm in dieser Situation Zeit zu
vertrödeln...
RL: Wir müssen den Fans neues Material geben... wir
haben gar keine andere Wahl und wollen auch nichts
anderes.
LE: Genau das ist es doch: Wir wollen vorwärts kommen.
Einen Sänger aus Amerika einfliegen zu lassen, um ein
Album einzusingen, das macht man nicht einfach so und es
wäre eine stupide Verschwendung, wenn wir den Elan und
dieses euphorische Gefühl, von welchem wir nun besessen
sind, nicht auszunutzen. Es wäre wirklich schwachsinnig,
nicht weiter in die Zukunft zu schauen und sich mit
diesem Album zufrieden zu geben und sich zurück zu
lehnen. Unser Ansehen als Band ist uns wichtig, das ist
einfach so. Und nun müssen wir dieses positives Ansehen,
welches die Fans und auch die Presse von uns hat
bewahren und noch zu verbessern versuchen. Mit Messiah
machte ich mir keine Gedanken darum, ob ein verrückt
wirkender, so übertrieben theatralisch singender Mönch
die Leute abschrecken könnte, denn es war nichts dran zu
ändern. Mit Robert ist die Chance für Candlemass zurück
gekommen, mehr Leute zu begeistern, sich musikalisch
weiter zu entwickeln, anspruchsvoller zu sein und das
wirkt sich eben auch auf die Ambitionen der Band aus.
MF: Letzte Frage: Wo wird Candlemass, wo wird Leif
Edling, wo Rob Lowe in 10 Jahren sein?
LE: Also ich werde auf der Veranda meines kleinen Haus
in Spanien liegen, die Sonne auf mich scheinen lassen
und einen Wein aus meinem eigenen Weinkeller trinken...
wenn alles so funktioniert, wie ich mir das vorstelle...
RL: Ich werde Schweden kaufen! Ich kaufe das verdammte
Land und taufe es in "Robert-Lowe-Land" um!
LE: Ein guter, wenn auch grössenwahnsinniger Plan. Ich
bleibe dennoch bei meinem Haus in Spanien, wo ich dann
in der Sonne liegen kann und mich betrunken daran
erinnere, wie ich jeden Abend Konzerte spielte und mir
damals den Arsch aufgerissen habe...
RL: Wenn ich ehrlich bin, weiss ich nicht mal, was ich
morgen mache... wie soll ich dann so eine Frage
beantworten können?
LE: Morgen stehst du brav auf der Bühne in Mailand und
singst!!!
MF: Phantastische Aussichten also... Rob, Leif, ich
danke euch für das unterhaltsame Gespräch!
|
|
|