Um den Sound einer Band beschreiben zu können zieht
man gerne andere Truppen als Vergleich heran, sagt, dass
der Sänger wie der von dieser, die Gitarren nach den
Klampfen von jener Combo klingen. Disturbed sind eine
der wenigen Bands, bei denen diese Art der Erklärung
nicht funktioniert. Ihr seit dem Debüt «The Sickness»
von 2000 unverwechselbarer Sound ist einer der
eigenständigsten in der Szene, der durch mächtige Riffs
und noch mächtigere Refrains besticht. Nicht
verwunderlich also, dass sich diese Band in Windeseile
zur Speerspitze des modernen Metals hochgearbeitet hat.
Seit dem Zweitling «Believe» 2002 hat es jedes
Studiolangeisen des Vierers um Goldkehle David Draiman
auf Nummer eins der US-Charts geschafft, ihre Tourneen
sind chronisch ausverkauft und ihre Songs werden sowohl
von Film- wie Fernsehmachern wie auch von
Videospieleherstellern (u.a. natürlich Guitar Hero /
Rockband) verwendet. Mit ihrem vierten Streich «Indestructible»
avancierte man nun auch noch bei uns in der Schweiz zu
Megasellern, erreichte man doch Platz 15 der
Albumcharts. Nachdem das geplante Gastpiel im Juli
abgesagt werden musste, war Ende Oktober doch endlich
die Möglichkeit gekommen, das riffgewaltige Quartett im
Zürcher Volkshaus zu bestaunen. Metal Factory wagte sich
ein paar Stunden davor in den Tourbus von Disturbed und
diskutierte zusammen mit Klampfer Dan Donegan (DD) den
imensen Erfolg, die Gründe dafür und warum Musik eine
solche Macht entwickeln kann.
MF: Hi Dan! Zuerst die Standardfrage: Wie gehts?
DD: Ich fühle mich fantastisch. Diese Tour macht richtig
Spass. Es ist auch echt cool, wieder einmal in der
Schweiz zu sein, nachdem wir auf der letzten Tour nicht
vorbeikamen. Dieses Mal spielen wir auch in einer
bedeutend grösseren Halle, ich hoffe nur, dass das auch
berechtigt ist. (einige Stunden später sollte der Beweis
dafür erbracht werden, wie im Livereview nachzulesen ist
– Anm.d.Verf.)
MF: Eigentlich hättet ihr ja schon im Juli in die
Schweiz kommen sollen. Warum hat das nicht geklappt?
DD: Ich bin mir nicht sicher, was da passiert ist. Das
macht ja alles unser Management, aber ich denke, es hat
vom Zeitplan her einfach nicht funktioniert.
MF: Mit «Indestructible» habt ihr dieses Jahr euer
viertes Studioalbum vorgelegt. Was macht die Scheibe in
deinen Augen speziell? Was unterscheidet sie von den
vorherigen?
DD: Natürlich sind für uns, die wir so nahe an den Songs
sind, alle Scheiben ganz unterschiedlich, aber dieses
Mal haben wir vielleicht mehr als sonst einfach das
gemacht, wonach wir Lust hatten. Erst als wir richtig
sicher waren, haben wir begonnen diese Scheibe
aufzunehmen. Wir stehen natürlich hinter allem, was wir
veröffentlichen, aber hinter «Indestructible» ganz
speziell. Es ist die vielleicht persönlichste Scheibe
bis anhin. Wir überlegen aber nie, was wir genau machen
wollen, sondern warten einfach, bis etwas herauskommt,
was uns bewegt.
MF: Ihr habt auch zum ersten Mal selber produziert.
Wie war diese neue Erfahrung?
DD: Die Erfahrung war echt bereichernd. So
unterschiedlich war es dabei auch wieder nicht, da wir
im selben Studio wie immer aufnahmen. Dieses Mal standen
wir einfach selber hinter den Reglern des Groovemaster
Studios und nicht unser regulärer Produzent Johnny K.,
dem es gehört. Da wir es waren, die dieses Mal sozusagen
„das Schiff an Land zogen“, haben wir eine ganz neue
Ebene des Soundverständnisses erreicht. Es war einfach
Zeit, dass wir auch diese Seite kennenlernen. Nun
verstehen wir auch unseren ganzen Klang und alles was
dazu gehört viel besser. Dies ist sicherlich auch ein
Grund, weswegen uns die Scheibe so nahe steht.
MF: Das Cover ziert wiederum die bedrohliche
Kapuzengestalt, die auch schon auf «Ten Tousand Fists»
zu bestaunen war. Habt ihr wiederum Todd McFarlane, den
Spawn-Zeichner, verpflichtet?
DD: Nein. Wir haben uns einen neuen Typen gesucht, David
Finch.
MF: Aber der Spawn-ähnliche Charakter ist
geblieben...
DD: Wir wollten diese Figur weiter etablieren, jedoch
mit einem neuen Stil. Wir haben einige von Finch's
Arbeiten gesehen und wollten der Figur mehr Muskeln und
Dreidimensionalität geben, die Figur auch lebendiger
machen, da sie mit der Zeit auch ein Trademark von uns
wurde. Fans haben sich nach der Veröffentlichung von
«Ten Tousand Fists» Tattoos mit der Figur stechen lassen
und solchen Dingen wollten wir Rechnung tragen. Das hat
sich eigentlich ziemlich organisch, ohne unser Hinzutun
entwickelt.
MF: Disturbed's Eddie sozusagen...
DD: Es hat sich dazu entwickelt, ja. Wir haben das nie
beabsichtigt, auch nicht, als wir Scott McFarlane mit
dem Artwork zur dritten Scheibe beauftragten. Zu Beginn
war es ja nur diese im Dunkeln leuchtende Fratze, die
etwas an einen Halloween-Kürbis oder so erinnert. Dies
hatten wir schon zu unserer Garagen-Zeit verwendet und
auch damals haben sich die Fans schon Tattoos machen
lassen. Es ist einfach ein weiterer Weg, auf welchem man
sich mit Disturbed identifizieren kann. Der funktioniert
auch besser als zum Beispiel das komplexe Logo auf «Believe».
MF: Ihr seit auf der ganzen Welt unglaublich
erfolgreich. Was, denkst du, sind die Gründe dafür?
DD: Eine schlüssige Antwort darauf kann ich dir auch
nicht geben. Es steckt keine geheime Formel dahinter.
Wenn es so etwas gebe, dann würde wohl jeder berühmt
werden können. Unser Sound und alles, was wir machen,
kommt einfach direkt aus unserm Innern. Wenn wir Songs
schreiben, dann denken wir nicht daran, was das Label,
Radio, MTV oder auch die Fans denken werden, sondern
lassen einfach das raus, was uns musikalisch und
textlich bewegt. Ich denke, deswegen fühlen sich die
Fans verbunden mit unsern Songs. Wir haben uns nie an
etwas anderem orientiert als an uns selbst. Natürlich
hatten oder haben wir musikalische Einflüsse, gerade als
Teens damals, aber wir wollten nie jemand anders sein
und haben unsern Idolen soundtechnisch nachgeeifert.
Irgendwie haben wir es ziemlich schnell geschafft,
unsere eigene musikalische Identität zu finden, die
glücklicherweise auch ziemlich eigenständig ist. Wenn
man einen unserer Songs hört, dann weiss man gleich,
dass der von Disturbed stammt. Es gibt so viele Bands,
die einfach wie eine neue Version von schon gehörtem
klingen. Einige von ihnen sind gut, aber ich bevorzuge
Musiker, die ihre Einflüsse nicht einfach eins zu eins
wiedergeben, sondern etwas Eigenes daraus machen.
MF: Fällt dir gerade ein Beispiel ein für eine Band,
die wir ihr heute noch einen unverkennbaren Sound macht?
DD: Ich denke da an Bands, die auch schon einige Jahre
auf dem Buckel haben. Korn zum Beispiel sind ein
perfektes Beispiel dafür. Sie haben Klänge und Rhythmen
in die Rockmusik gebracht, die noch nicht dagewesen
waren und die so gut auch nicht mehr gekommen sind bis
jetzt. Ein anderer Vertreter dafür sind oder waren
sicherlich System Of A Down. Diese Bands sind aber schon
die Ausnahme. Es gibt ja dutzende Bands auf der Welt,
die eben genau diese Erneuerungen der beiden Bands
kopieren. Einige sicherlich eigenständiger als andere,
aber man merkt dann halt schon, wer hier als Vorbild
fingiert. Und auch wenn eine Band noch so speziell und
abgedreht ist wie Tool, kann man die Einflüsse
heraushören, doch bei einer solchen Band sieht man eben
auch die kreative Eigenständigkeit.
MF: Disturbed gibt es jetzt schon seit über 10
Jahren. Wie hat sich das Business in all diesen Jahren
für dich verändert?
DD: Ich selbst denke nicht wirklich viel über solche
Entwicklungen nach. Ich bin einfach froh und glücklich,
dass wir es all die Jahre geschafft haben. Natürlich ist
die Industrie etwas härter zu Gange als auch schon, da
sie unter den rückläufigen CD-Verkäufen etc. wegen des
Downloadens leidet. Aber auch das beschäftigt mich nicht
sonderlich. Gute Musik setzt sich immer noch durch und
wir sind ja sowieso eine Liveband. Wir messen unsern
Erfolg und die Industrie an unser Live-Reputation und
irgendwas müssen wir ja richtig machen, wenn von Jahr zu
Jahr mehr Leute an unsere Shows kommen. Das Business
kann einem auch wirklich auf den Sack gehen, all die
Krawaten- und Anzugträger hinter ihren Schreibtischen.
Da darf man sich einfach nicht zu sehr darauf einlassen
und lieber gute Shows spielen, denn auf die einzigen,
auf die man als Musiker hören sollte, das sind die
verschwitzten Person vor dir, vor der Bühne.
MF: Im Frühling gabt ihr ein Konzert im Nahen Osten
für amerikanische Soldaten. Wie kam dies zustande?
DD: Wir haben immer unsere Anteilnahme und Unterstützung
für die Soldaten beteuert. Von Anfang an und bis heute
sind wir gegen diesen Krieg und vor allem gegen die
Gründe, die ihn verursachten, aber diese jungen Männer
und Frauen sind jetzt halt dort unten und riskieren ihr
Leben. Das muss gewürdigt werden. Sie sollten nicht dort
sein, sind es aber, weil es ihnen befohlen wurde, weil
sie Befehle ausführen müssen. Anfang dieses Jahres
lancierte Myspace deswegen «Mission Myspace». Man
kontaktierte uns, ob wir da mitmachen wollten und wir
sagten sofort zu. Irgendwas in dieser Art hatten wir
schon lange vor und es gibt einfach keine bessere Weise,
diesen Menschen Respekt zu zollen, als wenn du um die
halbe Welt fliegst, um in einem Kriegsgebiet mitten in
der Wüste für sie zu spielen. Sie sollten die
Möglichkeit erhalten, für einige Stunden ihre Umgebung
zu vergessen und in eine andere Welt flüchten zu können.
MF: Ist Disturbed eine politische Band?
DD: Jeder von uns hat Meinungen und macht sich Gedanken
zu politischen Themen, aber wir sind keine Band, die
ihren Fans sagt, was sie denken sollen. Wir sind weder
eine politische Band in diesem Sinne noch eine
religiöse, auch wenn einige von David's Vocals gerade um
diese Themen kreisen. Dies sind eben Themen, über welche
man sich Gedanken macht und die gerade für David sehr
wichtig sind. Es geht einfach um die Dinge, die uns
beschäftigen.
MF: In der Vergangenheit seit ihr einige Male unter
dem Banner «Music As A Weapon» durch die USA getourt.
Kann Musik eine Waffe sein? Anstatt «die Feder ist
mächtiger als das Schwert» vielleicht «die Gitarre ist
mächtiger als das Schwert»?
DD: Das Wunderbare an Musik ist das universale Band,
welches durch die Musik gespannt werden kann. Wenn du an
einem Konzert im Publikum stehst, dann spielt es keine
Rolle, ob du Manager oder Hotdog-Verkäufer, Amerikaner
oder Europäer bist. Das einzig wichtige ist die Musik
und die Energie und Emotion, die sie entwickelt. Am
stärksten fällt uns diese Macht in Ländern auf, die
nicht so gute Englischkenntnisse bieten wie etwa die
Schweiz, wo wir trotz riesigen Verständigungsproblemen
und ohne dass die Texte verstanden werden zu einer
Einheit mit dem Publikum werden.

MF: Eine Frage, die ich der Aktualität halber stellen
muss: Gehst du wählen?
DD: Wahrscheinlich. Wir fliegen am 3.11. zurück nach
Amerika und am 4.11. sind ja die Wahlen. Wenn wir es
also rechtzeitig schaffen, dann werde ich meine Stimme
sicherlich Obama geben. (nicht zuletzt sind also auch
Metalmusiker unter jenen, die Obama zum Sieg verholfen
haben – Anm.d.Verf.)
MF: Was hältst du von krass politischen Bands wie
etwa Rage Against The Machine?
DD: Das ist eine gute Sache und auch ihr gutes Recht das
zu tun, was sie machen und propagieren. Gerade Rage
Against The Machine ist eine dieser Bands, deren
politisches Engagement nichts mit Publicity zu tun hat,
sondern die wirkliche Überzeugungen haben. Sie wollen
auf Probleme aufmerksam machen, die ihen am Herzen
liegen und dafür eignet sich natürlich die Musik
hervorragend. Wir selber wollten nie auf diese Weise
unsere Meinungen kundtun, auch wenn wir es sicherlich
tun in unseren Texten. Aber eben gerade RatM, gerade, da
sie auch verdammt clevere Jungs sind, haben jede
Berechtigung dazu, die man haben kann.
MF: Den Sommer über habt ihr zusammen mit Slipknot
die Metal Mayhem Tour in den Staaten angeführt, wo noch
weitere Bands wie Airbourne, Black Tide oder Dragonforce
dabei waren. Die aktuelle Tour bestreitet ihr lediglich
zusammen mit Shinedown als Support. Was ist dir lieber?
Grosse Packages oder das klassiche
Vorband/Hauptband-Prinzip?
DD: Ich find es gut, wenn wir abwechseln können.
Natürlich ist es als Musiker klasse, im Zuge eines
grossen Packages in vollen Stadien und Hallen spielen zu
können, wo dich 20'000 bis 25'000 Fans pro Abend
abfeiern und das fünf Tage die Woche. Es ist aber auch
wunderbar, wieder zurück in Clubs gehen zu können, was
meist intimer und auch intensiver ist. In einem Stadion
siehst du zwar, dass du tausende von Leuten vor dir
hast, aber der Grossteil ist doch ziemlich weit
entfernt. Auch die vorderste Reihe ist ja ein gutes
Stück weit weg. Diesen Abstand hast du in Clubs nicht.
Da entsteht eine viel stärkere Verbindung zum Publikum
und man ist mittendrin in dieser Massenenergie. Du
spürst auch die Feedbacks besser. Ich mag also die
Vermischung aus dem Gefühl, auf einer riesigen Bühne zu
stehen, wo du dich wie ein Metalgott fühlst und das
Private in einem Club, in welchem du die Euphorie des
Publikums direkter spürst.
MF: MTV hat euch erstaunlicherweise von Beginn an
ziemlich stark supportet. Habt ihr jemals darüber
nachgedacht, eine Akustik-Show für MTV's «Unplugged»
aufzunehmen oder kommt das für euch nicht in Frage?
DD: Über das habe ich noch keine grossen Gedanken
verwendet. Das heisst nicht, dass ich es kategorisch
ausschliesse. Die Unplugged-Scheibe von Alice In Chains
zum Beispiel ist eine meiner absoluten Lieblingsplatten
überhaupt. Ich habe mir aber noch nie wirklich Gedanken
darüber gemacht, wie und ob überhaupt unsere Songs in
ein Akustik-Gewand gepackt werden können. Als
Metal-Gitarrist liebe ich einfach die fetten Riffs, wie
wir die Songs auch schreiben. Ich bevorzuge dieses
erdige, massive Soundgewand... aber darüber nachdenken
schadet sicherlich nicht.
MF: Welche Pläne haben Disturbed abgesehen vom Touren
für die nähere Zukunft?
DD: Hmm... Touren wird wohl schon unsere Haupttätigkeit
sein im nächsten Jahr. Wir werden versuchen, so viele
Orte wie möglich zu besuchen. Das ist ja auch schon
unsere dritte Reise durch Europa dieses Jahr. Auf der
ersten machten wir zwar nur Promo, aber im Sommer
spielten wir Festivals und jetzt die Clubtour. Wir
werden einige Kanada-Daten spielen, danach wollen wir
sicherlich auch runter nach Australien und Neuseeland.
Natürlich müssen auch die USA wieder gespielt werden. So
wies aussieht werden wir im Herbst nächstes Jahr eine
kurze Pause einlegen, um uns erholen zu können. Aber
dann wird es schon wieder von Vorne losgehen, was
heisst, dass wir schon wieder an der nächsten Scheibe
schreiben werden.
MF: Und die letzte Frage, die ich jeder Band stelle:
Wo wirst du und/oder Disturbed in 10 Jahren stehen?
DD: Wir sind jetzt 10 Jahre lang kontinuierlich grösser
und vor allem stärker geworden und ich hoffe und bin
eigentlich auch überzeugt davon, dass wir dasselbe für
weitere 10 Jahre schaffen werden. Wir sind immer noch
hungrig nach Metal und immer noch genauso passioniert
wie zu Beginn unserer Karriere. Und solange die Fans uns
noch sehen wollen, werden wir da draussen auf den
Brettern stehen und unser Ding machen ohne uns zu
verbiegen. Deswegen hoffe ich, dass wir die nächsten 10,
nein, mindestens 20 Jahre so weitermachen können wie
bisher.
MF: Das hoffen wir natürlich auch. Danke für das
Interview Dan.

Dan Donegan mit unserem Kissi >>>
|
|
|