“Totgesagte leben länger”. Dass diese Redewendung
gerade im Bereich der härteren Gitarrenmusik so wahr ist
wie Lemmys Warze, dies bewiesen in der Vergangenheit
schon Truppen wie Iron Maiden (seit ´99) oder Judas
Priest (seit ´03). Dieses Jahr nun kehrte eine
vielleicht noch legendärere, noch massgebendere
Kult-Kappelle zurück auf die Bühnen dieser Welt: Heaven
and Hell, besser bekannt als Black Sabbath der
Kult-Alben „Heaven and Hell“ (da macht der Name doch
Sinn), „Mob Rules“ und „Dehumanizer“. Also sicherlich
dabei: Tony Iommi, Ronnie James Dio und Geezer Butler,
welche alle auf diesen ewigen Götter-Scheiben spielten.
Doch wer sollte die Trommelstöcke übernehmen? Auf „H&H“
spielte Ur-Drummer Bill Ward, den Rest inklusive dem
Grossteil der Touren sass Vinnie Appice auf dem
Schlagzeugstuhl. Dazu rechne man noch Wards
angeschlagene Gesundheit und der Appice hatte ein
weiteres Mal das Kommando über Snare, Hi-Hat und
Bassdrum. Wie sich dies alles genau abspielte, wie es
sich anfühlt, die alten Hits zu dreschen und ob das
Projekt Heaven and Hell nach der erscheinenden Live-DVD/2CD
noch weiter für Furore, vielleicht in Form eines
brandneuen Studio-Albums, sorgen werden, darüber sprach
MF mit Vinnie Appice vor der Show am Spirit of Rock in
Winterthur im mit reichlich Wein ausgerüsteten, sehr
elegant aufgemachten Backstage-Raum Heaven and Hell's.
MF: Und? Wie ist es so, nach dieser langen Zeit wieder
mit Tony Iommi, Ronnie James Dio und Geezer Butler auf
der Bühne zu stehen?
VA: Das sind also ihre Namen? Aha! Jetzt weiss ich
endlich, wer diese Typen sind! (lacht schelmisch) Nein,
nein… Es ist einfach fantastisch, unglaublich, zurück zu
sein. Für mich ist Black Sabbath oder Heaven and Hell,
wie wir uns ja offiziell nennen, seit jeher einfach die
härteste Band der Welt und genau diese Musik will ich
spielen. Also könnte ich nicht glücklicher sein.
MF: Dies ist die erste Tour seit einer Ewigkeit in
diesem Black Sabbath Line-up, richtig? Kannst du dich an
das letzte Mal erinnern? Wie war es?
VA: Wenn ich heute mit damals vergleiche, dann ist diese
Tour jetzt um Vieles besser als das letzte Mal. Es fühlt
sich einfach super an. Wir harmonieren so eingespielt
aufeinander, jeder weiss genau, was die anderen auf der
Bühne wollen. Es funktioniert einfach wie geschmiert,
auch im Bus und so ist einfach alles klasse. Alles ist
entspannt, hier und da jammen wir ein wenig während der
Show, wir klingen thighter denn je und wir alle, vor
allem Tony und Geezer, sind der Meinung, dass es noch
nie so gut war.
MF: Worin besteht für dich der grösste Unterschied
zwischen heute und damals?
VA: Was man am meisten spürt ist, dass einfach alle
völlig relaxt sind auf dieser Tour. Früher, da hatten
wir immer die Verpflichtung, eine neue Scheibe zu
promoten, wir standen unter Druck und alles war viel
mehr in die Maschine des üblichen Band-Zeugs eingepasst.
Jetzt macht alles einen gemütlicheren und unbeschwerten
Eindruck.
MF: Bitte beschreib den Beginn und die ganze
Entwicklung eurer Reunion doch einmal aus deiner Sicht.
VA: Alles begann mit dem Plan der Plattenfirma, das
Best-of „The Dio-Years“ zu veröffentlichen. Dabei
dachten sie, dass es toll wäre, zwei zusätzliche, neue
Songs auf der Scheibe zu haben. Natürlich hatte dies
auch finanzielle Überlegungen zu Grunde… Ronnie, Tony
und Geezer waren total begeistert von der Idee und so
trafen sich Ronnie und Tony in England um die Songs zu
schreiben. Als es dann ums Aufnehmen ging, war
eigentlich Bill Ward vorgesehen, doch das funktionierte
aus verschiedenen Gründen nicht. So riefen sie mich an,
fragten, ob ich es machen wollte und ich sagte natürlich
sofort zu. Da lässt man sich ja nicht zweimal bitten,
wenn man gefragt wird, ob man mit Tony Iommi und Ronnie
James Dio neue Sabbath-Songs aufnehmen kann! Also
machten wir, weil es so gut lief, drei anstatt zwei
Songs und als das dann geschafft war, da hatten wir alle
so ein gutes Gefühl, dass wir uns sagten: „Hey, warum
sollten wir dieses Feeling nicht auch wieder auf der
Bühne auferstehen lassen?“. Mit drei solchen
Metal-Meilensteinen im Gepäck kann man ja einfach nicht
versagen, obwohl wir uns schon wieder ziemlich in Form
bringen mussten. Und hier sind wir nun also: Wir touren
durch die ganze Welt und das ein volles Jahr lang.
MF: Ziemlich lange, oder? Ich meine, nicht falsch
verstehen, aber ihr seid auch nicht mehr die Jüngsten…
VA: Naja… zu unserem Alter sag ich jetzt mal nichts,
haha… Aber es stimmt schon, die Tour ist ziemlich lang,
nicht mehr viele Bands spielen so lange Touren. Hier in
der Schweiz spielen wir den ersten Gig in Europa, zuvor
haben wir ja schon etwa 11 Shows in Kanada und so um die
15 Termine in den Staaten absolviert.
MF: Und eine dieser Konzerte habt ihr für eine
Live-Veröffentlichung als DVD und Doppel-CD
mitgeschnitten…

VA: Yeah… wir haben die Show in der Radio City Hall in
New York aufgenommen.
MF: War es die Idee der Band oder kam die Sache eher
vom Label aus?
VA: Ich weiss nicht genau… Ich denke beide Seiten haben
darüber nachgedacht, einfach nur schon, weil das Flair
der Band wieder da war. Neben dem Gig, der fast so an
die 2 Stunden geht, sind auch Unzählige Minuten
Backstage-Material, „On he Road“-Mitschnitte und
ähnliche Sachen drauf.
MF: Warum habt ihr euch gerade für diesen Auftritt in
New York entschieden?
VA: Nur schon die Location: Die Radio City Music Hall
ist ja eine der ehrwürdigsten Konzerthallen in den USA.
Dazu besitzt die Halle eine unglaublich gut Akustik, die
zum Aufnehmen wie geschaffen ist. Dazu machte das auch
zeitlich Sinn: Wir hatten schon einige Shows gespielt
und doch war es eher am Anfang der Tour, was dazu
führte, dass der Veröffentlichungstermin nicht
irgendwann, nach dem Ende der Tour, angesetzt werden
musste.
MF: Warst du auch am Songwritting der neuen drei
Stücke beteiligt?
VA: Nein, nein…Tony und Ronnie schrieben die Songs, wie
eh und je, zusammen. Was daran noch speziell ist, dass
diese Nummern die ersten sind, welche mit einem „Klick“
aufgenommen wurden. Früher spielte man einfach dazu…
Also hatte ich, während ich die Songs einspielte,
ständig ein “tick, tick, tick“ im Ohr.
MF: Ich kann mir vorstellen, dass es eine verdammt
schwere Aufgabe gewesen sein musste, Songs zuerst für
das Best-Of und danach noch für die Setlist der Tour
auszuwählen. Wie ging das vor sich?
VA: Alles begann erst einmal mit E-Mails. Da wir ja auf
verschiedenen Kontinenten leben, ist das so ziemlich das
einfachste Kommunikationsmittel. So schrieben wir also
Vorschläge hin und her, jeder seine Lieblingssongs und
dann mussten wir halt die typischen. In den Staaten
spielten wir ja so um die zwei Stunden, da konnten wir
mehr Nummern rein nehmen. Für Europa haben wir das Set
noch einmal um ca. eine halbe Stunde gekürzt, da wir
hier meist mit vielen Bands im Rahmen eines Festivals
auftreten und zwei Stunden zu viel wären. Also haben wir
ein, zwei Nummern rausgeschmissen und belanglose Dinge
wie mein Drum-Solo gekürzt. Das Ganze war dann natürlich
noch mühsamer als die erste Runde. Es ist schon eine
taffe Angelegenheit.
MF: Habt ihr euch dabei auch manchmal in die Haare
gekriegt?
VA: Nein, nein… Soweit ist es schon nicht gekommen, aber
man setzt sich dann schon mal etwas heftiger für seine
Lieblings-Songs ein, da man die ja endlich wieder einmal
vor einem Publikum erklingen lassen will. Aber heute
geht einfaches Diskutieren noch einmal besser als die
ersten Male, an welchen wir zusammen spielten.
MF: Du hast nie ohne Ronnie James Dio in Black
Sabbath gespielt, oder?
VA: Beinahe richtig, einmal war ich aber doch ohne ihn
dabei: 1998 spielte ich zusammen mit dem Ur-Trio, als
sie die Reunion-Tour mit Ozzy machten. Bill Ward musste
da aus gesundheitlichen Gründen das Handtuch werfen.
Somit habe ich also in den beiden klassischen Line-ups
getrommelt und so gut wie jeden Sabbath-Klassiker schon
mal live gespielt…
MF: Welche Sabbath-Scheibe überhaupt gefällt dir am
besten?
VA: Ich würde sagen, ganz subjektiv gefällt mir „Dehumanizer“
von allen am besten. Viele Leute mögen „Mob Rules“ oder
„Heaven and Hell“ mehr, da sie auch für mehr Furore
sorgten und einfach legendär sind. Für mich persönlich
ist es aber keine Frage, dass „Dehumanizer“ einfach das
gewisse Etwas hat. Gerade den Sound halte ich für
zeitlos. Nie klangen Sabbath so hart und doch so episch.
Schade, dass die Scheibe immer so unterschätzt wird.
MF: Ich kann mir vorstellen, dass es bei solch einem
Festival-Line-up wie diesem, bestehend aus Motörhead,
Saxon und U.D.O zu einer ziemlich ausgelassenen
Backstage-Party kommen könnte.
VA: Aus irgendwelchen Gründen kam es am vorherigen Abend
zu einer heftigen Feier. Weswegen auch immer war einfach
jeder in Party-Laune und so wurde es ziemlich spät und
einiger Alkohol floss. Hier müssen wir leider noch diese
Nacht weiterfahren. Schade, aber da kann man nichts
machen.
MF: Richten wir unser Augenmerk nun auf die Zukunft:
Tausende Fans hegen natürlich die Hoffnung, dass Heaven
and Hell nach dieser Tour nicht einfach wieder der
Geschichte angehören wird, sondern vielleicht sogar eine
brandneue Scheibe voller bärenstarker Metal-Hymnen auf
uns loslassen werden. Konkreter Plan, Möglichkeit oder
Unsinn?
VA: Es wurde erwähnt, wir haben uns Gedanken dazu
gemacht aber noch nichts ist entschieden. Ich denke,
jeder will zuerst diese lange Tour hinter sich bringen,
denn man muss zuerst schauen, wie wir uns nach einer
solch langen Zeit unter einander verstehen und
vertragen. Bisher wurde die Idee einige Male verworfen,
dann wieder für möglich erklärt, aber einen effektiven
Plan gibt es noch nicht.

MF: Deine Meinung dazu?
VA: Ich würde es einfach fantastisch finden und wäre
sofort dabei! Weißt du, normalerweise sperrst du dich im
Studio ein, machst eine Platte und gehst dann auf Tour.
In diesem Fall wäre die Tour zuerst gekommen und dann
könnten wir unserer Kreativität im Studio freien Lauf
lassen. Nach einer Tour hat man noch das ganze Feuer in
sich und ist mit den anderen vielmehr verbunden, einfach
eingespielt. Das würde es viel einfacher machen.
MF: Welche Pläne haben „Heaven and Hell“ bis zum
Jahresende?
VA: Da wird nicht mehr viel mehr als Touren auf dem Plan
stehen. Nach unserem Europa-Festival-Abstecher werden
wir wieder zurück in die Staaten gehen, danach steht
noch Asien und Südafrika und vielleicht ein zweites Mal
Europa auf dem Plan und Australien kommt, so viel ich
weiss auch noch das Fett weg. Ja… das dauert sicher bis
Jahresende…
MF: Wo siehst du dich, die Drum-Legende Vinnie Appice
und/oder Heaven and Hell in 10 Jahren?
VA: Oh verdammt… Das weiss ich nicht! 10 Jahre klingt
nach einer verdammt langen Zeit. Das, was ich am meisten
hoffe: das wir dann noch spielen werden! Aber eine solch
lange Zeit haben wir noch nie zusammen durchgehalten,
hahaha… Ich weiss es nicht, ich weiss es wirklich nicht!
Was ich hoffe und aber auch fest glaube ist, dass diese
Art von Musik auch nach einer weiteren Dekade noch von
vielen, wenn nicht noch mehr Leuten gehört und geliebt
werden wird. Man muss sich mal vorstellen, dass Black
Sabbath nun schon beinahe 40 Jahre alt sind. Das ist ja
unglaublich…
MF: Und nun noch die Frage, die jeder Musiker
beantworten muss, schliesslich wollen auch wir Schweizer
erwähnt werden: Was verbindest du mit der Schweiz?
Welche Erinnerungen und Eindrücke hast du dazu?
VA: Von diesem Land?
MF: Ja, von der Schweiz. Da befindest du dich
übrigens gerade.
VA: Aha, so heisst dieses Fleckchen also… neinein, ich
scherze. Es ist eindrücklich teuer hier! Wir sind heute
und gestern ein wenig durch die Gegend gezogen und sind
richtig gehend erschrocken. Wir leben ja in den USA und
dort beklagt man sich schon über die Preise, aber hier
ist es ja ungeheuerlich! Wunderbar ist aber de schöne
Infrastruktur, so zum Beispiel der Flughafen… alles
modern und gepflegt, im Vergleich dazu wirken die
Flughäfen in den Staaten viel chaotischer… das gefällt
mir.
MF: Das wärs dann schon gewesen. Ich danke vielmal
und wünsche einen guten Gig.
VA: Ich danke euch. Viel Spass bei der Show!

Unser Kissi mit Vinnie Appice >>>>>>
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