Dass die britischen Jungs musikalisch vieles
mitgemacht und ausprobiert haben, dürfte inzwischen auch
kein Geheimnis mehr sein, wenn man sich ein wenig mit
der Musikgeschichte auseinandersetzt. Dass sie mit dem
neuesten Streich „In Requiem“ wie gewohnt für eine
überraschende Kehrtwendung sorgten, dafür bedurfte es
auch keiner Wahrsagerkugel. Was jedoch sonst noch hinter
den Kulissen abgeht und wie die Band sich selbst nach 20
Jahren des Musikschaffens sieht, das interessiert
natürlich beinahe mehr als nur Fragen zur neuen Scheibe.
Vor dem Konzert in Winterthur am 24. September standen
Aaron Aedy (AA) und der nicht mehr ganz so neue Drummer
Jeff Singer (JS) Metal Factory Rede und Antwort.

MF: Zuallererst mal herzlich willkommen in der
Schweiz – noch einmal, nachdem ihr ja schon am Samstag
hier wart.
AA: Danke schön, es ist immer wieder cool hier zu sein.
MF: Zum wievielten Male seid ihr jetzt schon hier,
ungefähr?
AA: Das dürfte jetzt das 14. Mal sein (lacht), unser Gig
am Samstag in Solothurn mitgezählt.
MF: Jeff, du warst ja schon bei der letzten Tour
dabei. Warst du auch mal mit deinen vorhergehenden Band
Blaze und Kill II This hier in der Schweiz?
JS: Jaja, einige Male, das ergibt sich halt so mit der
Zeit, wenn man länger in einer Band spielt, dass man
irgendwann mal hier auftritt (lacht).
MF: Wie ihr ja schon erwähnt habt seid ihr am Samstag
in Solothurn aufgetreten. Wie war’s?
AA: Gut. Es waren einige betrunkene Leute im Publikum
(lacht), aber es war sehr unterhaltsam. Da war doch auch
dieser eine Typ dabei...
JS: Ja, der Betrunkene, der auf die Bühne geklettert
war. Der wollte effektiv Stagediven, und als er sich in
die Masse stürzen wollte, da – wusch – gingen plötzlich
alle zur Seite und er fiel ins Nichts (lacht). Wie Moses
beim Roten Meer hat er die Menge geteilt.
MF: Ich kann mir noch vorstellen, dass es eine
ziemliche Ablenkung bewirkt, wenn man live Musik machen
will, und plötzlich kommt da jemand, der etwas tut was
er vielleicht nicht unbedingt tun sollte...
AA: Och, du, der zum Beispiel hat sich schon gut
benommen, der kletterte nur rasch rauf und wollte wieder
runter. So geht das schon noch...
JS: Die Leute kommen nicht sehr oft auf die Bühne, vor
allem wegen den Absperrungen, den Securities... Aber
wenn, dann wollen sie nur ‚schwimmen’ (lacht).
MF: Meiner Meinung nach spielt ihr auch nicht
zwingend die Art von Sound, um sich auf die Bühne zu
begeben und von dort zu springen...
AA: Joa, kann man so sehen, also früher hatten wir viel
mehr Leute, die das tun wollten (lacht). Aber mit der
Zeit ändert sich das halt alles. Wenn man bedenkt, dass
die Leute früher teilweise gar keine Gelegenheit dazu
hatten, weil wir in kleinen Pubs aufgetreten sind...

JS: Teilweise ist das schon cool, aber am Wichtigsten
ist es, dass du dich natürlich nicht aus dem Konzept
bringen lässt.
AA: Wenigstens haben wir einen Drummer, der das denkt
(lacht).
MF: Jeff, ich denke du bist das schon mehrmals
gefragt worden, aber ich würde das doch noch
gerne von dir persönlich hören: Wie war es für dich, als
du bei Paradise Lost angefangen hast? Gab es da
irgendwelche Schwierigkeiten?
JS: Nein, nicht wirklich. Ich meine, wir sind alle
ungefähr im gleichen Alter, zudem habe ich die Jungs
schon vor Jahren kennengelernt und war seitdem immer in
Kontakt mit ihnen (Jeff war ursprünglich als Ersatz für
Matthew Archer gedacht, der Posten bekam dann aber Lee
Morris, Anm. d. Verf.). Wir haben ähnliche Interessen
und Hobbies, zudem denken wir beinahe dasselbe, was die
Arbeitsweise betrifft, so war es in diesem Sinne keinen
allzu grossen Schritt. Ich geniesse es extrem, mit den
Jungs zu arbeiten.
AA: Vor allem sind Jeff’s lustige kleine Geschichten
sehr amüsant (lacht).
JS: (verdreht die Augen) Jaja, Jeff’s lustige kleine
Geschichten, basierend auf Alkohol (lacht ebenfalls).
MF: Was erwartet ihr euch vom heutigen Abend?
AA: Hmm, ich erinnere mich an das letzte Mal, es war
sehr gut, besser als gedacht, und daher denke ich, dass
sich das wiederholen wird. Ich habe meinen eigenen
geheimen kleinen Ecken und mische von dort aus das
Publikum auf, hehehe.
JS: Ich hab ja die Stimmung auf der letzten Tour als
sehr intensiv empfunden, und ich denke, dass die Band
jetzt, dank der Tatsache, dass wir alle noch besser
aufeinander eingespielt sind als sonst schon, eine sehr
gute Show abliefern wird.
MF: Daran habe ich keine Zweifel. Wie erklärt ihr
euch diese neue Stimmung, dieses intensivere Gefühl?
AA: Nun, wir geniessen es einfach, zusammen Musik zu
machen, wir haben Spass, wir funktionieren einfach
besser. Wie eine Gruppe von guten Freunden halt. Wir
werden immer besser, wir schätzen uns selbst mehr.
MF: Was ich persönlich gemerkt habe als ich das neue
Album zum ersten Mal hörte, war, dass das Gesamtwerk
sehr rau war, sehr direkt und mitten in die Fresse haut.
JS: Wir wollten das ja auch so, wir beabsichtigten,
alles so tönen zu lassen wie es auch beinahe bei den
ersten Takes zustande kam. Keine grossen
Verschönerungen, keine Schnörkel, nichts dergleichen.
Mehr Direktheit und eben auch mehr Power.
AA: Ich denke, das ist auch der grosse Unterschied zum
Vorgänger. Vor allem auch, was die Produktion anbelangt
sind wir ja diesmal total anders an die Sache
herangegangen. Deshalb ist da eine relativ grosse
Differenz zwischen dem, was wir vorher gemacht haben und
der neuen Scheibe.
MF: Was denkt ihr, ist das neue Material live besser
spielbar? Gibt’s da Sachen, die sich vom Studiofeeling
her unterscheiden als wenn man sie auf der Bühne
performt?
AA: Ich würde mehr sagen, dass alles, was wir auf der
Bühne spielen, wiederum anders klingt als auf CD.
Einfach einheitlicher. Da spielt es keine Rolle, ob wir
jetzt nun „Host“ oder „Gothic“ zum Besten geben, alles
klingt irgendwie anders, eben halt homogener.
JS: Die Produktion ist eigentlich das Wesentliche, das
sich geändert hat, nicht zwingend das Songwriting oder
die Art und Weise, wie die Band jetzt an die Stücke
herangeht. Vergleicht man Beispielsweise die Alben
„Host“ oder „Believe In Nothing“ mit „Icon“, so stellt
man ganz klar Unterschiede fest, die auf die Produktion
zurückzuführen sind. Und es ist schlussendlich egal,
welche Songs wir performen, sie tönen alle heavy und
rau, anders halt als auf den entsprechenden Scheiben.
MF: „Host“ und die entsprechende Ära ist sowieso ein
Thema, das meiner Meinung nach zu häufig diskutiert
worden ist, und dementsprechend sind auch die
Zersplitterung der Fanbase oder auch sonstige Vorwürfe,
beispielsweise Kommerzialisierung, mehr als nur
lächerlich.
AA: Die Leute mögen meiner Ansicht nach das Album jetzt
mehr, die Zeit dazumals war nicht sehr glücklich, das
stimmt, aber schlussendlich kamen ja auch wieder neue
Fans, welche die alten ersetzten. Die Scheibe ist cool,
aber halt einfach anders und gewisse Leute haben damit
halt ein Problem.
JS: Ich war ja nicht aktiv dabei dazumals, aber diese
Periode war und ist nach wie vor, so wie ich mir das
denke, wegweisend für das gesamte Geschehen innerhalb
der Band, und schlussendlich auch, was den Sound
betrifft.
AA: Man darf dabei nie vergessen, dass wir gegen 18
Monate lang auf Tour waren, ständig unterwegs, die ganze
Zeit nur Metal als kreativen Ausdruck... Wir waren es
einfach leid, um es simpel auszudrücken. Wir mussten
eine Pause von all dem einlegen, was wir bisher getan
haben. Zudem wollten wir einfach was Neues machen, was
schlussendlich primär uns gefallen sollte, denn das ist
es ja, was man generell machen sollte, sonst richtet man
sich einfach nach jemand anderem und nicht nach sich
selbst.
MF: Ganz meine Meinung. Und was man eben auch nie
vergessen darf, ist die Frage, an wen die Musik
gerichtet ist und wer sie geniessen soll.

AA: Die Ehrlichkeit sollte man auch nicht ausser Acht
lassen, denn das ist ebenfalls ein sehr wichtiger
Aspekt. Und eben, wie du gesagt hast, wer die Musik
geniessen soll. Ich meine, wenn du deine eigene Mucke
nicht schätzt, wird das niemand sonst machen. Da spielt
dann eben die Ehrlichkeit mit. Das merkt man sofort, ob
jemand zu seinem Werk steht oder nicht.
MF: Wie sieht’s mit den Einflüssen eurer Jugend aus,
lasst ihr euch immer noch von euren damaligen Idolen,
wenn man dem so sagen darf, inspirieren?
AA: Wir versuchen einfach, auf jedem Album anders zu
klingen, und dabei spielen die persönlichen Vorlieben
natürlich immer eine Rolle. Wir hören effektiv zur Zeit
vermehrt wieder Death Metal oder generell Sachen von
früher wie Sodom, Kreator, Bathory und so weiter, und in
der Art und Weise, wie wir jetzt das alles hören, die
Haltung, die wir dazu einnehmen, so verarbeiten wir das
auch in unseren eigenen Werken. Sozusagen eine Art
Reflektion von uns selbst.
MF: Das ist ja schlussendlich auch das grosse Plus
bei euch: Man weiss nie, was man beim nächsten Album
vorgesetzt bekommt.
AA: Ja, wer weiss, vielleicht wird das nächste Werk
Brutal Death Metal beinhalten (lacht).
JS: Nur schon wenn man die ganze Bandgeschichte
anschaut, ich meine, 20 Jahre aktiv im Metal-Business zu
sein, das bewirkt und verändert viel. Und
dementsprechend stehen alle Songs in einem eigenen
Kontext, ein Zeugnis dieser Zeit sozusagen.
MF: Wie seht ihr den Zusammenhang der Musik in
Anbetracht dessen, dass ihr mehrmals das Label
gewechselt habt? Gibt’s überhaupt einen?
AA: Ich denke nicht zwingend, klar kann man andere
‚Vorgaben’ bekommen, aber im Endeffekt ist das, was du
draus machst, das Entscheidende. Vielleicht haben wir
schon mal auf ein Label gehofft, das mehr auf Bands
spezialisiert ist, die heavier sind, aber sonst... Nein,
wir haben immer unsere eigenen Entscheidungen
durchgebracht.
MF: Was macht „In Requiem“ für euch speziell, was
sind die bemerkenswerten Eigenschaften dieser Scheibe?
AA: Hmm... Sie ist einfach eine Kombination aus allem,
was wir die Jahre über so gemacht haben, quasi ein
Schmelztiegel aller Einflüsse und Taten von uns, deshalb
ist auch das Endresultat nicht verwunderlich, dass jeder
einzelne Track für sich stehen kann aber auch ins
Gesamtbild passt.
MF: Das kann man schon als gutes Schlusswort ansehen,
dennoch möchte ich die obligate Frage stellen: Was wollt
ihr all den Fans und Lesern von MetalFactory mitteilen?
AA: Wenn ihr das Album hört und es euch gefällt: Danke
vielmals. Wenn ihr es gekauft habt: Danke euch
tausendfach! Gebt auf euch acht und keep on rockin’!
(lacht)
JS: Yeah, Grüsse an unsere Fans, lasst’s krachen!
(lacht)
MF: Aaron, Jeff, danke vielmals für das Interview.

Unser Toby mit Paradise Lost. Ratet mal welcher es ist!
Nein, es ist nicht die dicke Frau. >>>>>>
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