Als in den 90ern die nordischen Himmel sich im Feuer
von brennenden Kirchen rot färbten, manifestierte sich
eine bis dato unbekannte Kraft in der Heavy-Metal-Szene.
Die Einflüsse von satanistischem Gedankengut beflügelten
einige Bands, bekannte Grenzen zu erweitern oder
teilweise auch zu überschreiten, so dass nicht wenige
davon absoluten Kultstatus geniessen. Doch von den heute
noch existierenden und musizierenden Bands gibt es nur
noch wenige, welche immer noch die Aufbruchsstimmung der
damaligen Zeit verbreiten und nach neuen
Ausdrucksmöglichkeiten suchen. Satyricon ist einer
dieser Namen, der für Abwechslung und Innovation steht.
Ein wenig unter Zeitdruck nahm sich Drummer Frost die
Zeit, um zwischen Tür und Angel über ihr neustes Werk
und die Entwicklung darin zu sprechen. Mehr Antworten
als Fragen, und was genau Celtic Frost damit zu tun hat,
lest ihr am besten selber.
MF: Guten Abend Frost! Da wir nicht so viel Zeit
haben, möchte ich gleich zum Thema kommen…
Frost: Okay, lass uns beginnen.
MF: Gut, das letzte Album ist ja ein wenig langsam.
Gerade wenn ich an deine andere Band denke, bei der du
ja ziemlich schnell spielst, ist Satyricon seit „Now,
Diabolical“ ziemlich langsam. Wie managst du die beiden
Extreme?
Frost: Ich glaube nicht, dass da zwei grosse Extreme
sind. „The Age of Nero“ ist durchaus intensiv.
Tatsächlich hat es einige langsame Momente, besonders
auf dem letzten Lied, und auch ein paar „groovige“
Tracks, die einen eher Rock’n’roll-Rhythmus haben, so
wie „Wolfpack“ und „Last man standing“, der einen
starken Hellhammer-Groove in sich trägt. Es ist nicht
besonders langsam, aber sehr weit weg von Blastbeats.
Ich denke, es hat immer noch einen gewissen Drive, einen
gewissen Sinn für Geschwindigkeit. Aber natürlich ist
das letzte Lied sehr doomig und langsam, es zieht dich
auch emotional runter. So ist es natürlich schon ein
grosses Stück anders als bei 1349 zu spielen. Aber für
einen Drummer wie mich ist es sehr wichtig, diese zwei
Arten von Ausdruck zu haben. Denn wenn du zu viel in
einem bestimmten Feld oder speziellen Stil arbeitest,
dann wird es an einem bestimmten Punkt schwierig,
Inspiration zu bekommen, sich weiterentwickeln, zu
improvisieren. Aber wenn du verschiedene Möglichkeiten
oder Arbeitsfelder hast, dann ist es möglich, zwischen
diesen zu wechseln und Erfahrungen zu sammeln. Wenn du
eine Zeit lang an schnellen Sachen arbeitest wirst du
immer ein klein wenig schneller, ein klein wenig
genauer, oder kannst neue Figuren versuchen einzubauen.
Wenn du später dann zu langsameren Teilen zurückkehrst,
dann kannst du versuchen diese Erfahrungen in einen
bestimmten Groove zu packen, einfach mit einem
langsameren Beat. Wie auch immer, es ist eine gute Sache
für einen Musiker, ein weites Angebot an
Ausdrucksmöglichkeiten zu haben. Jeder wirklich gute
Musiker, wie im Jazz zum Beispiel, der ja einige
Top-Musiker hervorgebracht hat, versucht auch immer neue
Stiles und Genres aus.
MF: Genau dieses Erforschen und diese Entwicklung
sind ja ein spezieller Teil von Satyricon. Ihr habt ja
nie nur einen Stil gespielt und diesen beibehalten. Und
danach wollte ich fragen, denn einige Bands in der
Black-Metal-Szene (vor allem in der Schweiz, Österreich
und Deutschland) versuchen extrem langsam und fast schon
monoton zu spielen, um eine depressive Atmosphäre zu
erschaffen. Versucht Satyricon dasselbe? Oder welche
Gefühle genau will Satyricon uns zeigen?
Frost: Ich könnte ein Buch darüber schreiben. An diesem
Punkt möchte ich ansprechen, dass wir glücklich sind, in
der Schweiz zu sein. Wir haben Tom G. „Warrior“ im
Backstagebereich sitzen, der sich mit uns unterhält. Er
ist ein guter Freund von uns, und es ist toll, einen so
guten Kollegen wieder zu sehen. Wir haben uns schon in
Norwegen kennen gelernt, und natürlich auch auf der
letzten Tour. Celtic Frost ist eine Band, zu der
Satyricon schon immer eine gewisse Verbindung gespürt
hat. Besonders in den ersten vier Alben, früher wie auch
heute, was natürlich auch daran liegt, dass wir mit
diesen aufgewachsen sind. Aber natürlich auch, weil wir
Celtic FrostS Kreativität so bewundern.
Türe zum Backstagebereich geht auf und Tom G. Warrior
tritt heraus und läuft die Treppe runter.
Bei Satyricon ist Kreativität eine der stärksten, wenn
nicht sogar die wichtigste Kraft. Genau wie Celtic Frost
versuchen wir, jedes Album zu einer eigenen
musikalischen Welt zu machen. Denk nur mal an den
enormen Unterschied zwischen „Morbid Tales“ und „Into
Pandemonium“. Und doch klingen beide sehr nach Celtic
Frost. Sie haben beide einen Sinn, und haben einen
Beitrag zur Szene und ihrer Entwicklung geleistet. Ich
finde das das Schöne an Black Metal Genre. Es ist offen
für so manche musikalische Stile, Einflüsse und
Interpretationen. Der Punkt ist, dass du eine gewisse
Atmosphäre ausstrahlst. So lange du die Musik in
Metal-Grenzen haltest bist du frei, unkonventionelle
Instrumente, Ideen und Arrangements einzubringen.
Tom G. Warrior betritt mit weiblicher Begleitung den
Backstagebereich.
Grundsätzlich ist dies die Voraussetzung für
Kreativität. All die grossen Bands waren sehr Kreativ.
Ich denke zum Beispiel an die ersten vier Bathory-Alben.
Die waren sehr unterschiedlich. Aber alle waren
fortschrittlich auf ihre Art. Ich glaube es ist ein
Missverständnis von vielen Bands oder der momentanen
Szene dass du eine Formel finden und daran festhalten
sollst. Für mich ist dass totaler Schwachsinn, denn
würden dass alle machen, wäre dies der Tod für die ganze
Szene. Ich kann garantieren dass Bands, die am Leben
bleiben konnten, fähig dazu sind, sich selber zu
erneuern und damit ständig Neues in die Szene zu
bringen. Diese Musik wurde dadurch entwickelt und in den
frühen Tagen daraus geboren. Und sie wird noch immer
lebendig gehalten von den Bands, die diesen „Funken“ der
ursprünglichen Bands wie Celtic Frost, Bathory oder
Venom in sich tragen. So wie Darkthrone in ihren besten
Tagen wirklich Kreativ und innovativ waren. Die wären
nie fähig gewesen, diese Legendären Albums zu kreieren
wenn sie versucht hätten, irgendeine Platte von Bathory
zu kopieren. Sie haben die Essenz daraus genommen, ihre
eigenen Sachen reingebracht und damit die ganze Szene
einen Schritt weiter gebracht. Damit haben sie weitere
Bands inspiriert, ihre Musik auf eine höhere Qualität zu
bringen, und somit die Szene weiter zu verbessern.
Satyricon ist die Essenz dieses Gedankens: sich ständig
zu erneuern, stets einen Schritt weiter zu gehen, mit
jedem neuen Album. Und dabei versuchen, bei allem was
wir machen, besser zu werden.

MF: Und das scheint ja zu funktionieren. Andere
Bands, die so lange existieren wie Satyricon,
wiederholen sich ja ständig…
Frost: Wer zur Hölle braucht einen weiteren Darkthrone
oder Bathory-Klon? Ich nicht! In Wirklichkeit niemand.
Dazu kann man die Originale hören.
MF: Exakt. Dieser Gedanke ist ja auch in den Texten
zu finden, die Lyrics sind aufgeschlossen. Sie haben
keinen satanistischen oder rituellen Inhalt. So wo liegt
die Kraft in den Texten?
Frost: Ja die Texte sind das Resultat eines, wie du
gesagt hast, offenen Verstandes. Sie entstehen aus dem,
wie ich finde, hohen Intellekt und der ungewöhnlichen
künstlerischen Gabe von Satyr. Er schreibt
substanzvolle, dunkle Poesie, die ganz gut zur Musik
passt. Du weisst, er schreibt die Musik und die Texte.
Es sind zwei verschiedene Arten, wie er seine Gedanken
ausdrücken kann. Er weiss ganz genau wann die beiden
zusammen passen und wann nicht. Wenn er einen Text
schreibt merkt er, wann er zur Musik passt oder ob sie
eine Änderung braucht, oder ob sogar der Text geändert
werden muss. Sie resultieren aus seinem Schreibtalent
und seinen tiefgründigen Gedanken.
MF: Im Black-Metal gibt es auch die Meinung, dass man
sich schwarz anziehen muss und irgendwelche Zeichen wie
inverse Kreuze tragen soll oder irgendwelche Bücher über
Satan und Dämonen zu lesen um der Welt zu zeigen, dass
man die Menschheit hasst. Warum handelt Satyricon nicht
so?
Frost: Nun, was du sagst über diese Dämonen und so, die
existieren in Mitten gewisser Leute. Nicht materiell,
denke ich, aber in gewissen Gruppen von Leuten, und
diese sind einfach kindisch. Das ist ein Missverständnis
im ganzen Konzept von Black Metal, was es ist und was es
sein sollte. Ich glaube es ist der Weg des einfachen
Mannes, so zu handeln. Es ist der Weg des Ausweichens,
die Quelle deines Talentes so zu zeigen. Wenn dir
aufgezwungen wird in einer gewissen Weise zu denken,
dann brauchst du nicht für dich selbst zu denken, oder?
Gewisse Leute wollen das Genre durch dies begrenzen,
aber ich finde das lächerlich. Die werden durch ihre
eigene Dummheit fallen. Denn das Genre wurde durch
kreative Leute geformt, und Kreativität braucht
zwingenderweise viel Platz. Innovative Leute gibt es,
und diese werden nicht durch stupide Dogmas weggesperrt.
Das wäre der monotheistische Weg, wie es die Christen
tun! Darum sollte zum Beispiel jeder Satanist versuchen,
diesen Weg zu bekämpfen, denn dies ist das Gegenteil von
Satanismus. Satanismus braucht einen freien Willen und
einen freien, aber klaren Verstand als Grundlage, um
deine eigene Wahrheit zu finden. Und deinen eigenen Weg
durch das Leben, den eigenen Weg zu Grösse.
Das Band setzt aus, während des Wechselns werde ich
angesprochen, dass nur noch diese Frage beantwortet
werden kann, da das nächste Magazin auch noch Zeit
braucht.
Frost: Das ist der wahre Kern von Satanismus. Freie
Denker halten sich nicht an Regeln. Darum sollte kein
Gesetz, vor allem nicht im Black Metal, sowas
vorschreiben. Satyricon sucht musikalisch nach der
eigenen Grösse und der eigenen Wahrheit, darum sind wir
kreativ. Nur dumme Gruppen folgen irgendwelchen Idealen,
Satyricon versucht diese zu bekämpfen, da diese Ideale
nichts erschaffen. Das ist auch der Grund, warum sich
Satyricon von solchen Bands distanziert. Wir isolieren
uns von Bands, die nichts anderes tun als sich selbst zu
klonen und nichts erschaffen. Das wäre der immer
gleichbleibende Level ausgelaugter Musik, und die Suche
nach Individualität ginge verloren.
MF: Ich danke dir, Frost, für dieses wirklich
interessante Interview! Leider muss ich hier aufhören,
ich wünsche dir einen tollen Gig hier in Winterthur.
Es folgt ein Gespräch über die Gründe, während die
nächsten Interviewer schon da sind und ich meine Sachen
packen muss. Wer gerne andere Fragen/Antworten lesen
will, kann dass bei den Kollegen unter
www.infernal-war.ch machen.
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