Im Vorfeld
dieser Begegnung mit dem ehemaligen Sepultura-Häuptling versuchte ich mir vorzustellen,
welcher Mensch mir gegenüber sitzen und wie er allgemein auf mich wirken wird. Das
öffentliche Bild könnte einen suggerieren, dass der gute Max vielleicht ein unbequemer
Zeitgeist sei. Mein letztes Zusammentreffen mit ihm fand anlässlich der
"Roots"-Promo-Tour von Sepultura am 16.2.96 im Zürcher Volkshaus statt. Ein in
mehrfacher Hinsicht spezieller Abend, denn erstens stiegen zu "Procreation of the
wicked" die (ehemaligen) Celtic Frost Recken Tom G. Warrior (g) und Martin Ain (b)
auf die Bühne und es sollte das letzte Mal sein, Sepultura in der Ur-Formation auf einer
Schweizer Bühne sehen zu können. Zudem war es einfach ein hammergeiles Konzert, das wohl
keiner so schnell vergessen wird, der damals mit dabei war. Inzwischen sind ein paar Jahre
vergangen, in denen Max Cavalera seine eigene Band Soulfly solide aufgebaut hat und sich
Sepultura mit dem schwarzen Sänger Derrick Green seit dem Split bemühen, aber nicht
wirklich vom Fleck kommen. Ob die (von vielen Fans gewünschte) Reunion in Aussicht steht
und was mir der überraschend sympathische (mit seinem ganzen Familien-Tross anwesende)
und Tee trinkende (!) Sänger zu Reggae als Hintergrund-Musik alles zu sagen hatte,
erfahrt in unserem Interview, so letz go!

MF: Vor acht Jahren hast du hier mit Sepultura gespielt. Erinnerst du dich noch an diesen
denkwürdigen Auftritt?
M: Hmm...
MF: ...es war im Februar 1996...
M: Ich denke..., dass wir da "Procreation of the wicked" gespielt haben...
MF: Genau!
M: Mit Tom Warrior und...
MF: ...Martin Ain!
M: Ja..., unvergesslich (lacht) - ein grosser Moment!
MF: War es schwierig, diesen Gastauftritt zu organisieren?
M: Nein, das war nicht schwierig, denn ich kenne Martin Ain, wir sind heute noch
befreundet. Er kommt jeweilen zu unseren Shows, wie heute Abend auch. Tom traf ich damals
zum ersten Mal. Speziell war dabei der Umstand, dass Sepultura diesen Song
("Procreation of the wicked") anders spielen als Celtic Frost. Das führte zu
einer kleinen Debatte darüber und schliesslich sagte Tom, dass wir es auf unsere Art
machen sollen. Das bedeutete also, dass ich Tom seinen eigenen Song lehren musste (lacht)!
Aber er nahm es gelassen und war sehr cool.
MF: Nun bist wieder zurück in Zürich..., mit Soulfly! Wie war das Konzert
gestern in Genf?
M: Es war sehr gut..., etwas kleiner als hier..., circa 800 Leute, dicht gedrängt und es
war sehr heiss. Die Fans gingen tierisch ab..., auf dieser Tour spielen wir kleinere
Shows, an grossen Festivals und wieder an kleineren Orten. Es ist interessant..., für
beide, also mich und die Fans. Die einen mögen die kleineren Anlässe mehr, während die
anderen die grossen Events bevorzugen. Dort gibt es diese grosse Energie der Musik, die
aus der riesigen PA hervorgeht. Manchmal zündet diese, manchmal auch nicht, falls aber
doch, dann ist es kaum zu beschreiben, wie da tausende von Fans vor dir durchdrehen. Mir
gefällt beides..., ich möchte einfach spielen (lächelt).
MF: Der Neustart mit Soulfly war eine schmerzvolle Angelegenheit, aber nun, denke
ich, bist du glücklich und befriedigt über die Entwicklung der Band, oder?!
M: Ja..., weisst du..., mit Sepultura war es eine musikalische Suche, die nun bei Soulfly
weiter geht. Schon vorher war ich immer aus auf Neues..., es ist meine persönliche
Berufung, nach neuen Sachen Ausschau zu halten, ohne dabei die Metal-Tradition aus den
Augen zu verlieren, ich liebe das. Es hat danach auf jeder Scheibe etwa zur Hälfte
mindestens vier Metal Hardcore Songs und der Rest ist dann etwas anders, aber immer mit
der gleichen Gesinnung.
MF: Du bist ein sehr offener Musiker mit einer Menge an Ideen und Visionen,
verschiedene Stile miteinander zu kombinieren. Was kommt als Nächstes?
M: Ich weiss nie, was es sein wird und genau das liebe ich daran. Wüsste man es, wäre es
auf eine Art langweilig..., vielleicht mache ich mal eine ganze Scheibe ohne
Experimente..., einfach zwanzig Minuten "Full Blast" und überrasche damit die
ganze Welt (lacht)! Sowas kann man erwarten von mir, aber nicht jetzt.
MF: In den letzten paar Jahren wuchs die Band laufend und ihr habt in vielen
Ländern gespielt. Was waren dabei die ergreifendsten Momente und kannst du mir von etwas
erzählen, das überall gleich war?
M: Ich denke..., es gab unerwartet wunderbare Orte wie Mazedonien zum Beispiel..., ein
andersartiges Land..., Indonesien, Süd-Afrika..., da waren wir erst letzten Monat und es
war dort ganz anders, als ich erwartet hatte. Was mir überall gleich vorkam, waren die
Fans. Sie alle verehren die Musik..., lieben sie..., teilen sie miteinander..., mit uns.
Die Musik führt alle zusammen, gleich ob in Süd-Afrika, Argentinien oder der Schweiz:
Überall das Gleiche, das ändert nicht.
MF: Du bist in Brasilien geboren und lebst jetzt in den Staaten, hast aber auch
familiäre Wurzeln in Europa. Wo möchtest du einmal leben, wenn deine musikalische
Karriere zu Ende ist?
M: Oh..., nun..., darauf kann ich keine Antwort geben, weil meine musikalische Karriere...
(überlegt ein Weilchen) ...erst dann zu Ende ist, wenn ich tot bin (lacht). Also werde
ich nicht aufhören, denn das würde ja bedeuten, dass ich dann tot bin! So ist das...
(lacht herzlich).
MF: Die Musik verbindet normalerweise (alle) Menschen jeglicher Herkunft. Trotzdem
kämpfen wir immer noch gegeneinander, in vielen Kriegen und aus verschiedenen Gründen.
Wird es je Frieden geben auf der Erde?
M: Ich glaube nicht..., denn von Anfang an werden wir geboren mit Dingen in uns wie
Eifersucht, Grausamkeit oder "Arschloch-Gefühlen"..., in der Musik ist es
besser. In diesem Umfeld wächst man mit weiseren Gedanken auf, anstatt einander aus
religiösen Motiven oder was auch immer um zu nieten. Wenn du zu einer Soulfly- oder
Slayer-Show gehst, dann hat es dort Schwarze, Moslems, Weisse..., die zusammen die Songs
intonieren. Keiner stört sich am anderen..., sie sagen "hey, lasst uns gemeinsam
diesen Song singen". Das ist es, was ich an der Musik liebe und wie sich diese in
eigener Art und Weise von der Politik abgrenzt.
MF: Für dich als religiöse Person, was ist dein Vorschlag für weniger Gewalt in
der Welt?
M: Nun..., zur religiösen Person..., ich glaube fest an das Spirituelle. Religiös ist
ein sehr starkes Wort..., ich bin es nicht. Ich bin absolut nicht religiös..., mir sagen
Sakramente oder das Fasten nichts..., ich gehe auch nicht in die Kirche. Also ein
schlechter Einfluss im religiösen Sinne, aber ich bin eine "gute, spirituelle
Person". Was gut für den Frieden wäre? Gib allen Führern, allen Unruhestiftern der
Welt eine AK-47 (Pistole oder Flinte, je nachdem, was Max gemeint hat!), lass sie zusammen
in einen Raum und einander abknallen..., was auch immer! Ich habe keine Antwort auf
das..., das ist sehr schwierig.
MF: Am 14. Juni sind Soulfly (in Prag) als "Special Guest" der
wiedervereinten Judas Priest angekündigt. Entschuldige die Frage, aber ich muss sie
trotzdem stellen, da es in diesem Zusammenhang (Reunion von Judas Priest) viele Fans gibt,
die sich auch eine Rückkehr von Sepultura im alten Line-Up sehnlichst wünschen. Wird es
also vielleicht mal eine Reunion geben oder doch nie? Was hast du dazu für eine Meinung?
M: Ich habe..., ich habe keine Meinung dazu, sorry! Einerseits denke ich gar nicht daran
und andererseits..., der Grund, warum ich nicht daran denke, bedeutet, dass ich absolut
nichts Konstruktives dazu beitragen kann. Die Zeit wird es zeigen...
MF: ... es muss langweilig für dich sein, in der letzten Zeit, wo es viele (gute
und schlechte) Reunions gab, immer wieder mit dieser Frage konfrontiert zu werden!?
M: Nein..., das ist nicht langweilig.., ich habe einfach keine Antwort darauf. Zum
jetzigen Zeitpunkt würde ich für Nichts zurück gehen wollen, weil ich mit Soulfly etwas
geschaffen habe, das mir wichtig ist, so wie es das auch war, als ich noch bei Sepultura
war. Für mich ist dies eine Frage der Integrität und die bedeutet mir viel. Ich kann mir
nicht vorstellen, wieder zurück zu gehen. Ich akzeptiere die Tatsache jedoch, dass die
Fans (die alten) Sepultura lieben..., das finde ich klasse und ich spiele ja
Sepultura-Songs die ich mag, wie "Mass hypnosis" und andere. Aber wieder zurück
gehen und der Gleiche zu sein..., ich weiss nicht. Das ist einer der Gründe, warum ich
Bands wie Queen oder Led Zeppelin mag, die nicht wieder vereint sind. Du kannst nicht...,
die Magie fehlt einfach..., auch selbst wenn die gleichen Leute wieder zusammen kommen,
ist es manchmal nicht mehr dasselbe. Ich bevorzuge, die Erinnerung in den Köpfen der Fans
aufrecht zu erhalten..., wie bei dir, nachdem du (damals) Sepultura hier hast
"Procreation of the wicked" spielen sehen. Besser dies als gute Erinnerung zu
behalten, als es womöglich zu zerstören, indem man einen neuen Anlauf nimmt und die
Leute dann sagen, wie scheisse sie es fanden. Sowas zerstört alles, darum lassen wir es
so sein, wie es ist!
MF: Was für einen Rat kannst du einer jungen Band geben, um erfolgreich zu sein?
M: Das ist schwierig..., ich denke..., es hört sich jetzt vielleicht ein wenig absurd an,
aber man sollte zwei Dinge tun, die ich tat: Glaube an die Musik, glaube an dich selber,
an das, was du machst zum einen und zum anderen, lass dich nicht beeinflussen (Original:
"Don't give a fuck at all!"), scheiss auf Regeln..., einfach alles. Das war
immer mein Weg, verbunden mit viel Licht und Schatten..., so wie es stark auch meine Musik
ist..., während meiner ganzen Karriere. Glaube an das, was du tust und scheiss auf alles
andere..., das würde ich ihnen sagen (kichert).
MF: Welches ist deine persönliche Botschaft an die Schweizer Soulfly-Fans und
Leser unseres WebZines?
M: Erst mal ein "big hello"! - ich bin froh, hier spielen zu dürfen. Gestern
war es klasse und ich bin gespannt auf heute Abend und danke, dass Ihr mir stets auf
meinem musikalischen Weg der letzten zwanzig Jahre gefolgt seid. Es war toll und ich
wünsche mir weitere zwanzig oder mehr! Ich werde solange spielen, wie es geht. Dank an
die Fans..., ohne sie wäre Nichts..., weder Sepultura, noch Soulfly!
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