Viele Jahre mussten die Fans nun auf ein Studioalbum
von Testament warten, die auch heute noch genauso
beeindruckend sind, wie vor zwanzig Jahren. Vor sieben
Jahren wurden bei Sänger Chuck Billy und Gitarrist James
Murphy Hirntumore diagnostiziert, woraufhin so mancher
Fan das Ende dieser San Francisco Bay Area-Legende
befürchtete. James befindet sich nach wie vor in
Behandlung, während Chuck wieder vollständig gesund ist.
Die neue CD "Formation Of Damnation" hat in diversen
Ländern den Einstieg in die Charts geschafft, sogar bei
uns in der Schweiz. So ein neues Album bringt natürlich
auch eine Tournee mit sich, darunter eine Show in
Erstfeld, wo Metal Factory es sich nicht nehmen liess,
Chuck Billy (CB) ein paar Fragen zu stellen, die der
amerikanische Ureinwohner (vom Stamm der kalifornischen
Pomo-Indianer) etwas erschöpft, aber sehr freundlich
beantwortete.

MF: Chuck, was für Probleme hattet ihr denn nach der
Show in Serbien gestern?
CB: Grooosse Probleme! Wir kamen zu spät dort an, das
Equipment war nicht parat, sie haben uns nicht
bezahlt...
MF: Sie haben euch nicht bezahlt??
CB: Nein, aber wir haben trotzdem gespielt, weil die
Fans schon da waren. Sie haben uns nicht bezahlt und
unseren Flug in die Schweiz nicht gebucht... furchtbar!
Irgendwann um drei Uhr morgens stellte sich heraus, dass
unser Flug gar nicht gebucht war. Es ging einfach alles
schief. Der Promoter dort war ein sehr junger Kerl und
ihm ist wohl alles über den Kopf gewachsen. Naja, es war
schon scheisse. Aber wir haben trotzdem gespielt, die
Fans hatten eine gute Zeit und es war eine echt gute
Show.
MF: Trotzdem scheint es dir gut zu gehen, du wirkst
zwar müde, aber trotzdem recht ausgeglichen.
CB: Ja, ich fühle mich gut. Wir stehen am Beginn der
Tour und der aktuelle Stand ist "So weit, so gut...".
MF: Wie geht es dir gesundheitlich?
CB: Meine Gesundheit ist bei 100%!
MF: Hey, grossartig!
CB: Yeah, danke! 100% krebsfrei seit sechs Jahren, und
alles ist gut.
MF: Wunderbar! Genau das wollte ich hören! Sprechen
wir über das neue Album, das wirklich perfekt geworden
ist...
CB: Perfekt? Aaah, das tut gut, danke!!
MF: Yeah, das ist mein Ernst! Meiner Meinung nach
geht es bei eurer Musik in erster Linie um das Feeling,
wahrscheinlich noch mehr, als bei manch anderer Band
eurer Spielart...
CB: Freut mich, dass das mal jemand so sieht, echt!
(lächelt zufrieden)
MF: Wie würdest du das Feeling des neuen Albums denn
beschreiben?
CB: "Vertraut" ist das Wort, das mir als erstes
einfällt. Das liegt daran, wie wir dieses Album
geschrieben haben. Bei den vorgängigen Alben wussten wir
nie so genau, ob wir einen Drumcomputer oder einen
richtigen Drummer haben werden, was das Schreiben
erschwerte. Diesmal wussten wir, dass die Band komplett
ist, wer welche Arbeit macht, und das hat uns das
Schreiben extrem erleichtert. Daher auch das Wort
"vertraut", weil wir wieder auf die selbe Weise Musik
schreiben konnten, wie in den alten Zeiten. Es ging
nicht mehr nur um irgendwelche Riffs, sondern um das
Schreiben von Passagen für zwei Gitarristen, so wie
früher eben. Genau das macht das vertraute Feeling aus,
das Schreiben für zwei Gitarristen.
MF: Das hört man auch, denn das Album erinnert schon
stark an eure Songs der Achtziger.
CB: Ja, das denke ich auch. Es liegt vor allem an Eric
und Alex, die alte Chemie eben, die wir beim Schreiben
wieder gespürt haben.
MF: An dieser Stelle würde mich interessieren, wie
lange ihr für das Schreiben gebraucht habt.
CB: Also wir waren auf Tour und haben an den Songs
geschrieben, wenn wir zwischendurch daheim und im
Proberaum waren. Zu Beginn haben wir eher an Riffs
gearbeitet, noch nicht an Songs. Es war alles noch sehr
zurückhaltend, so in der Art "Aha, das klingt ganz nett,
lassen wir das mal so." Wir haben erst am 1. September
richtig zu arbeiten begonnen, als wir nach einer Tour
wieder daheim waren und den Vertrag mit Nuclear Blast
unterzeichnet haben. Da haben wir uns dann gesagt "Okay,
fangen wir mit dem Album an." Im November ging es dann
mit den Aufnahmen los, die bis im Januar anhielten. Es
war somit ein sechsmonatiger Prozess, alles in allem.
MF: Ihr hattet dabei wieder Andy Sneap an eurer
Seite. Wie habt ihr die Zusammenarbeit mit ihm diesmal
erlebt?
CB: Es war gut. Eric und ich haben das Album produziert,
während Andy sich um den Mix gekümmert hat. Er hat uns
sehr geholfen bei den Drumsounds und den Gitarrensounds.
Eric und ich waren in diesen Prozess involviert, weil
wir genau wussten, wie wir den Sound haben wollten. Mit
Andy zu arbeiten ist grossartig, weil er zuhören kann
und die Musik versteht. Ich meine, er ist ein Metalhead
und Gitarrist, deshalb versteht er uns, wenn wir ihm das
Feeling und die Vorstellung der Musik beschreiben.
Manchmal machen wir ihn allerdings verrückt, weil wir so
viele Ideen haben, die wir ausprobieren möchten.
Wahrscheinlich macht es ihn wirklich verrückt, aber
letzten Endes funktionert es. Das beste daran war, dass
wir von Anfang an mit Andy über alles gesprochen haben,
wie das Album klingen soll, wie die Drums und die
Gitarren klingen sollen. Wir sagten also zu ihm, wofür
genau wir ihn im Studio brauchen, und alles verlief nach
Plan, so wie wir es visualisiert hatten.
MF: Ihr hattet eine Listening-Party mit den Medien in
London. Wie kam das Album denn bei den Jounalisten dort
an?

CB: Eric und Paul waren dort und haben sich darum
gekümmert. Die beiden hatten eine grosse Listening-Party
mit den Journalisten, und es lief grossartig. Eric hat
mir erzählt, dass die Journalisten es wirklich genossen
und eine gute Zeit hatten.
MF: Ihr seid nicht umsonst in so vielen Ländern in
den Charts vertreten. In der Schweiz seid ihr sogar auf
Platz 33 eingestiegen.
CB: Waaas?? In den offiziellen Charts??
MF: Ja, Nummer 33! Was sagst du dazu?
CB: Grossartig! Wir sind auch in den amerikanischen und
den deutschen Charts echt gut eingestiegen. Seit unserer
Zeit bei Atlantic Records hatten wir keine
Chartplatzierungen mehr, aber die haben sich mit der
Promotion auch echt gut um uns gekümmert. Ich denke es
liegt diesmal an der Energie der Musik und an der
Tatsche, dass wir ein neues Management und eine neue
Plattenfirma haben. Es ist schön zu sehen, dass diese
Kombination ihren Job so gut gemacht hat und dieses neue
Album auch wirklich bemerkt wird. Ich meine, "The
Gathering" war ein echt gutes Album, aber die
Plattenfirma hat ihren Job sehr schlecht gemacht. Keine
Promotion, keine Pressekonferenz... und wir dachten nur
noch "Shit, that sucks!", denn wir liebten dieses Album.
Zu dem Zeitpunkt war es das beste Album, das wir je
gemacht hatten. Es ist wunderbar, dass die harte Arbeit
an "Formation Of Damnation" die Anerkennung bekommt, die
ihr zusteht.
MF: Dann seid ihr also zufrieden damit, wie ihr von
Nuclear Blast behandelt werdet?
CB: Ja, absolut! Das liegt vor allem daran, dass diese
Leute an die Musik glauben und die Musik kennen, das ist
sehr wichtig. Ich glaube in den neun Jahren mit Spitfire
Records habe ich es nicht ein einziges Mal erlebt, dass
jemand von der Plattenfirma zu einer unserer Shows kam,
und das in neun Jahren, stell dir das mal vor! So übel
war das!
MF: Das ist, ähm... entsetzlich!
CB: Oh ja!
MF: Glücklicherweise geht es euch jetzt ja richtig
gut! Sag mal, die Lyrics zum Song "Formation Of
Damnation" sind wirklich interessant. Würdest du sie
bitte kommentieren?
CB: Es ist traurig, wohin die Welt und die Regierungen
gegangen sind. Vor langer haben wir schon auf "The New
Order" beschrieben, was in der Zukunft passieren wird,
und dann haben wir in den darauf folgenden zwanzig
Jahren all das wirklich erlebt. Ich war nie ein George
Bush-Fan und bin gegen den Krieg im Irak. Ab und zu sehe
ich fern, sehe all diese Sachen passieren... Kleine
Kinder, zehn oder elf Jahre alt, verbrennen bewaffnet
die Amerikanische Flagge, werden zu Hass herangezogen...
Irgendwie denke dann Sachen wie "Mann, wo werden meine
Kinder oder Enkelkinder in zwanzig Jahren sein? In was
für einer Welt werden sie leben? Wer wird die Macht
haben?" All diese Länder haben und arbeiten an nuklearen
Waffen, und da fragt man sich, wer die Waffen haben und
sie einsetzen wird. Es ist wirklich eine Verdammung, es
ist traurig. Diesen Vibe von "The New Order" haben wir
für "Formation Of Damnation" übernommen. Ich beschäftige
mich mit Nostradamus und habe gesehen, wie viele seiner
Prophezeiungen sich erfüllt haben. Was die Regierung
betrifft, so denke ich, dass sie vieles verbergen. Bis
zu einem gewissen Punkt glaube ich die
Verschwörungstheorien sogar, da ist sicher viel Wahres
dran.
MF: Darüber habe ich mit Bobby von Overkill
gesprochen, und er ist der Meinung, dass viele Menschen
erschreckend schlecht aufgeklärt sind über solche Dinge.
Wie siehst du diese Thematik?
CB: Da hat er Recht! Man sollte sich gründlich
informieren und jede Information mehrmals überprüfen!
MF: Das Cover Artwork eurer neuen CD spricht eine
sehr deutliche Sprache. Kannst du in ein paar Worten
etwas dazu sagen?
CB: Das Design war eine Idee von Eric, und mein erster
Eindruck davon war, dass es wie Sodom und Gomorrha
aussieht, nur eben futuristisch. Was es zum Ausdruck
bringen soll, ist Zerstörung eben dieser futuristischen
Art, mit dem Weissen Haus, der Freiheitsstatue und all
diesen monumentalen Dingen rund um die Welt, die in
Schutt und Asche liegen. Eric hat dabei versucht, all
diese Dinge auf dem Cover alt aussehen zu lassen,
zerstört. Ich denke, dass Eric diese Idee aufgrund einer
Statue hatte, die er sich mal gekauft hat, so ein Engel
mit einem Schwert und einem Schild. Er hatte diese
Vision, und so fing das an. Wir haben diese Vorstellung
einem Künstler zu vermitteln versucht, der das alles
dann zu zeichnen anfing. Zuerst nur ein Engel, dann ein
ganzer Schwarm von Engeln mit Trompeten... Diese
Trompeten sind irgendwie ein echtes Symbol für Sodom und
Gomorrha. Yeah, so ungefähr würde ich das beschreiben.
MF: Bleiben wir beim Thema Lyrics. Ich habe dir vor
dem Interview gesagt, dass "Over The Wall" mein erster
Song von euch war und mich durch die letzten zwei
Dekanden begleitet hat. Wie oft erhaltet ihr Feedback
von Fans, deren Leben ihr mit euren Lyrics positiv
beeinflusst habt?
CB: Das passiert immer wieder, und ich bin sehr
überrascht, dass dies bei schnelleren Songs nicht so oft
der Fall ist, wie bei Balladen. Zu Songs wie "The
Legacy" oder "Trail Of Tears" kriege ich oft Briefe von
Leuten, die Selbstmord begehen wollten, weil sie nichts
mehr hatten, wofür es sich zu leben lohnte. Dann hörten
sie einen dieser beiden Songs, schöpften neue
Hoffnung... diese Songs haben scheinbar manche Leben
gerettet, und solche Storys sind sehr berührend! Man
denkt nur noch "Wow!" und staunt auch darüber, was so
ein Metal-Song Schönes bewirken kann. Das ist für mich
persönlich ein so schönes Gefühl und es inspiriert mich
dazu, weiterhin Songs zu schreiben, denn nur deshalb
schreibe ich Songs, weil sie etwas zu bedeuten haben. Es
sind keine erdachten und gefälschten Storys wie bei
typischen Heavy Metal Bands, oder solchen Bands, die
über irgendwelche dumme Schwarze Magie schreiben. All
die Heavy Metal Fans da draussen sind doch echte
Menschen, deshalb sollte man auch echte Lyrics für sie
schreiben, die auch wirklich etwas bedeuten. So schreibe
ich meine Musik, bedeutungsvoll, und deshalb performe
ich sie auch gut, weil sie mich wirklich berührt. Das
ist besser für mich und besser für die Fans, und solch
positive Messages unter den Menschen zu verbreiten
scheint mir die richtige Art zu sein, meinen Job zu
machen.
MF: Herrliche Worte! An dieser Stelle sollte man das
Interview eigentlich so stehen lassen, aber ich habe
immer noch Fragen an dich.
CB: Hahah, mach nur weiter!
MF: Was habt ihr in den vergangenen Jahren gemacht?
Eric war mit Dragonlord beschäftigt, aber was war mit
dir?

CB: Ich habe mein Nebenprojekt Dublin Death Patrol, und
in den letzten Jahren war ich ja noch krank. Anyway, wir
haben zusammen gespielt, ein wenig getourt... Und ich
muss dir ehrlich sagen, dass ich die freie Zeit zu Hause
genossen habe mit meiner Familie und meinen Tieren.
Jetzt mit dem neuen Album touren wir mehr denn je... Hmm,
weisst du, ich möchte nicht mehr für sechs Monate oder
so auf Tour gehen und so lange von Daheim weg sein. Seit
ich mich vom Krebs erholt habe, geniesse ich es noch
viel mehr, Zeit für meine Familie, Freunde und für meine
Tiere zu haben.
MF: Was für Tiere hast du?
CB: Hunde und Katzen (lächelt sehnsüchtig). Ach, ich
geniesse es einfach, daheim zu sein. Auf Tour mag ich
es, alle zwei Wochen wieder nach Hause gehen zu können
für eine Woche oder so. Aber diesmal verhält es sich so
mit der Tour, dass wir drei Monate lang nicht mehr nach
Hause gehen können. Das ist ein langer Trip, aber wir
haben ein neues Album draussen und müssen jetzt unseren
Job machen. Sicher macht es auch Spass, aber wir stehen
gerade erst am Anfang der Tour.
MF: Einige Auftritte an Festivals stehen im Sommer
auch noch an...
CB: Yeah, die Saison hat begonnen, hahah!
MF: Ich hab euch vor einigen Jahren in Deutschland
gesehn auf dem "Bang Your Head" Festival, da wart ihr
sehr, sehr gut!
CB: Oh ja, das war eine gute Show! Damals waren meine
Haare noch kurz, wegen dem Krebs. Für die Konzerte
damals hatte ich Extension drin, hahah!
MF: Wirklich? Dann hat dein Friseur ja gute Arbeit
geleistet, es sah nämlich wie echt aus! Kommen wir zur
letzten Frage. Hast du eine Message an eure Fans in der
Schweiz und an die Leser von Metal Factory?
CB: Ich möchte nur sagen, dass wir ein Album geschrieben
haben, das wirklich von Herzen kommt, und ich hoffe,
dass alle das spüren werden.
MF: Schöne Worte zum Abschluss! Vielen Dank für das
Interview, und ich wünsche eine gute Show!
CB: Danke, es war mir ein Vergnügen! Und jetzt lass uns
aus diesem heissen Bus verschwinden, hahah!

Chuck Billy mit unserer Maiya >>>
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